Beihilfen für die deutsche Steinkohle – Höherer Eigenanteil der RAG?

Kann der Essener RAG-Konzern, der sämtliche deutschen Steinkohlezechen betreibt, die ohne öffentliche Beihilfen schon lange nicht mehr wettbewerbsfähig wären, kann die RAG vom Jahre 2005 an, wenn der Kohlekompromiss ausläuft, eine höhere Eigenbeteiligung an der Kohlesubventionierung übernehmen und die Staatskasse auf diese Weise entlasten? Politiker sprechen bereits von einer „Sockelförderung“, und manche von ihnen würden am liebsten ganz auf Subventionen verzichten.

Gesendet am Dienstag, 4.1.2000, in „Westblick“ zwischen 17.05 und 18 Uhr

Von Lothar Kaiser

Wenn es um Geld geht, hört bekanntlich die Freundschaft auf. In diesem Fall geht es um viel Geld. Um Milliarden. Dass die öffentlichen Beihilfen für die deutsche Steinkohle nach 2005 noch weiter absinken werden, bezweifelt keiner der Beteiligten in Politik und Kohlewirtschaft. 2005 wird der RAG-Konzern in Deutschland noch zehn Steinkohlezechen betreiben und 36.000 Bergleute beschäftigen. Bis dahin gilt es die Frage zu klären, ob und in welchem Maße die RAG die Kohlesubventionierung aus eigenen Mitteln übernehmen kann und will.O-Ton: NRW ist das Energieland Nr. 1 in der Bundesrepublik Deutschland. Wir haben diese Spitzenposition erreichen, halten und ausbauen können, weil wir uns an diesen energiepolitischen Grundsätzen orientiert haben: Dem Energiemix. Auch und gerade mit unseren heimischen Energieträgern. Sie sind im Energiemix absolut unverzichtbar.

Soweit das Bekenntnis des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Wolfgang Clement zur Braun- und Steinkohle, denn andere nennenswerte Energiereserven hat die rohstoffarme Bundesrepublik Deutschland ja nicht vorzuweisen.

Den Erhalt des deutschen Steinkohlebergsbaus sichern bis 2005 Steuergelder in Milliardenhöhe. Und dann? Zwar betonte Ministerpräsident Clement im April, auch über das Jahr 2005 hinaus müsse ein Sockelbetrag an Steinkohleförderung im Ruhrgebiet erhalten bleiben. Doch die Formulierung „Sockelbetrag“ gab schon damals zu denken. Im November wurde Clement vor Bergleuten dann deutlicher:

O-Ton: Ich stelle mir vor, am Ende des langen Weges, den wir gehen, dass die Deutsche Ruhrkohle und Steinkohle ein internationales Unternehmen sein wird, dass wir in diesem Rahmen dann auch eine Lösung finden, eine endgültige unternehmerische Lösung für die Steinkohle.

Der Druck der Politik auf den RAG-Konzern wächst, sich selbst – stärker als bisher – am Erhalt von Steinkohlezechen in Deutschland zu beteiligen – mit Hilfe der kohlefernen Konzernbereichen, die Gewinne machen. Diese Konzernzweige sorgen mittlerweile für mehr als zwei Drittel des Konzernumsatzes von 27,5 Mrd. DM.

Bundeswirtschaftsminister Werner Müller sprach das Thema auf dem diesjährigen Steinkohletag in Essen so an: Der erfolgreiche, stärker expandierende Beteiligungsbereich müsse „noch stärker als bisher zur Flankierung des Anpassungsprozesses herangezogen werden“. Und: Rationalisierungspotentiale müssten stärker genutzt und Förderkosten weiter gesenkt werden. In ähnlicher Weise äußerte sich einige Wochen später Ministerpräsident Clement auf einer Belegschaftsversammlung der Zeche Ewald-Hugo in Gelsenkirchen. Wirtschaftliche Optimierung sei, Zitat, „ein wesentlicher Faktor bei allen Entscheidungen über künftige Finanzhilfen“.

Vor dem CDU-Wirtschaftsrat in Berlin ging der Bundeswirtschaftsminister Müller dann noch einen Schritt weiter: Langfristig sei ein subventionsfreie Energieversorgung anzustreben.

Mittelfristig zielt das ab auf eine höhere Eigenbeteiligung der RAG an der Kohlesubventionierung, als sie bisher vereinbart wurde. Dazu Wilhelm Beermann, der Vorstandsvorsitzende der RAG-Tochtergesellschaft Deutsche Steinkohle AG:

O-Ton: Wir haben in dem Kohlekompromiss vereinbart, dass wir ab dem Jahre 2001 bis 2005 eine Milliarde, also in jedem dieser Jahre 200 Millionen DM zu den Subventionen hinzusteuern, die wir in unserem sogenannten weißen Bereich, sprich in unserem Beteiligungsbereich erwirtschaften müssen.

Wie Beermann sieht auch der scheidende RAG-Vorstandsvorsitzende Gerhard Neipp „keinen Weg“ für einen völlig subventionsfreien Bergbau:

O-Ton: Wie es mit dem Steinkohlenbergbau in Deutschland nach dem Jahr 2005 weitergeht, ist eine politische Aufgabe.

Neipps Nachfolger Karl Starzacher, ab 1. Januar im Amt, gibt ihm recht: Es sei unrealistisch zu erwarten, die RAG würde Milliarden aus anderen Töpfen des Konzerns zur Rettung des deutschen Steinkohlebergbaus abziehen. Zumal auch die Rationalisierung ihre Grenzen hat. In den vergangenen Jahren unternahm der RAG-Konzern zahlreiche Kraftanstrengungen, um die hohen Förderkosten der deutschen Steinkohle zu senken. So gelang es dank hochmoderner Bergbautechnik, die Produktivität in den letzten zehn Jahren um 22 Prozent zu steigern. Während ein Bergmann im Jahre 1957 je Schicht knapp 1600 Kilogramm Kohle ans Tageslicht förderte, sind es heute fast viermal so viel.

Wie also geht es 2005 mit der deutschen Steinkohle weiter? Die RAG hofft auf eine weitere öffentliche Subventionierung . Und auf baldige Verhandlungen mit Bund und Land. Denn sie braucht Planungssicherheit. DSK-Chef Beermann gegenüber dem WDR im Herbst 1999:

O-Ton: Bergbau ist eine langfristige Sache mit längeren Planungsvorläufen. Wir gehen davon aus, dass wir spätestens Anfang nächsten Jahres die politischen Verhandlungen aufnehmen werden.

Das „nächste Jahr“ hat inzwischen begonnen.