Es fehlen sechzig Fußbälle

51 Fußbälle im Gesamtwert von 5100 Mark besaß zeitweilig ein Hagener Kaufmann, der sich demnächst mit dem Vorstand des benachbarten TSV Berge-Westerbauer vor Gericht wiedersieht. Dabei geht es um die Frage, wie hoch ein Zaun sein muss, damit keine Bälle mehr darüber fliegen können.

Veröffentlicht 1986

Von Lothar Kaiser

Wenn die Fußballer des TSV Berge-Westerbauer auf ihrem Platz am Stadtrand von Hagen für das nächste Spiel trainieren, fliegen nur so die Bälle ins Tor. Und manche fliegen auch darüber. Kaffeetafeln unter freiem Himmel sind deshalb während der Trainingsstunden in der Nachbarschaft des Platzes nicht gerade ratsam. Kaum ein Spiel des TSV Berge-Westerbauer, bei dem Harry und Rosel Seyda auf ihrem Grundstück gleich hinter einem der beiden Tore nicht ein paar Bälle abbekommen.

So kam denn ein Ball zum anderen. 51 Fußbälle waren es zuletzt, die Harry Seyda konfisziert hatte. Fußbälle als Faustpfand. Für den Fall, dass die Haftpflichtversicherung der Fußballer nicht alle Schäden regulieren würde, die einige dieser Bälle angerichtet hatten. Und da hat der zornige Hausbesitzer einiges aufzuzählen: Geborstene Wandplatten, abgeknickte Sträucher und blind gewordene Fensterscheiben. Zwar hat der Fußballverein den Fangzaun an der Grundstücksgrenze mittlerweile um drei Meter erhöht, doch für so manchen Schuss ist er auch heute noch zu niedrig. Die 51 Fußbälle, die Harry Seyda einkassiert hatte, konnten sich die Fußballer zwar inzwischen wieder bei ihm abholen. Noch aber ist ungewiss, welche Seite diesen „Ballstreit“ für sich entscheiden wird.

Auf Sieg spielen beide Seiten. Und die Fußballer des TSV Berge- Westerbauer spielen obendrei buchstäblich mit dem Rücken zur Wand: Für einen neuen Fangzaun, Kostenpunkt 10 000 Mark, fehlt ihnen das Geld. Ganz abgesehen davon, dass eine solche Investition nicht mehr lohnend erscheint: In vier Jahren läuft der Pachtvertrag für den Sportplatz aus. Nicht ausgeschlossen, dass auch dieses Gelände dann bebaut wird. Was aber macht bis dahin die Familie Seyda. Auf Kaffeetafeln im Freien verzichten? Auch in der Bundesliga landet nicht jeder Schuss dort, wo er hin soll. Für die Fußballer des TSV Berge-Westerbauer, die in der 3. Kreisklasse spielen, mag das ein Trost sein. Nicht so für Harry und Rosel Seyda. Sie suchen jetzt Trost bei Schiedsrichtern außerhalb des Fußballfeldes, bei der 4. Zivilkammer des Hagener Landgerichts. Der für den 17. Oktober erhoffte Urteilsspruch: Ein noch höherer Fangzaun. Nur: Wer den Fußballern des TSV Berge-Westerbauer schon mal beim Training zugesehen hat, der weiß, wie weit und hoch sie schießen können. So hohe Zäune gibt’s gar nicht. Auch nicht in der 3. Kreisklasse.