Harrods – von Deutschen und Arabern „besetzt“

Mai 1977:  Londons elegante Kaufhäuser Marks and Spencer, Harrods, Selfridges, Liberty & Co, Dickins and Jones sowie „The Scotsch House“ zwischen Oxford- und Regentstreet, Knightsbridge und King’s Road im Herzen der britischen Metropole haben ihren Ruf, exklusiv und für Deutsche unerschwinglich zu sein, schon lange verloren.

Und auch das „Swinging London“, zusammen mit der Carnaby Street und ihren verrückt-originellen Bouthiquen in den 60er Jahren propagiert, ist nur noch Erinnerung. Aus dem vor allem in der „rush hour“ unerträglichen Straßenverkehr glaubt man heute das Klingeln der Ladenkassen heraushören zu können. Denn mit dem Verfall des englischen Pfundes – zur Zeit gegen Traveller- oder Euroschecks in England für etwa 4,05 Mark zu haben – ist England zum derzeit billigsten Reiseland und die Weltstadt an der Themse für Deutsche zum wahren Einkaufseldorado geworden. Und dem tragen die deutschen Reiseveranstalter mit einem ständig wachsenden Angebot Rechnung. Drei- oder gar viertägige Flugreisen für knapp 200 Mark einschließlich Hotelunterkunft sind bereits an der Tagesordnung. Und wer mit Bahn und Fähre reist, kann’s sogar noch billiger haben. Auf denn ins Gewühl der Londoner Einkaufsstraßen, das „Go-as-you-please“-Ticket für Bus und U-Bahn in der Tasche (für vier Tage kostet es umgerechnet etwa 25 Mark). Was wird in Londen nicht alles billiger angeboten als in der Bundesrepublik. Schallplatten, Poster und Bücher etwa, aber auch Stereoanlagen, Antiquitäten, Porzellan, Kleider, Anzüge, Schuhe und Lederwaren. Hinzu kommt „Fernöstliches“ im Kaufhaus Biba an der Kensington High Street, bei „Mitsukiku“ einige Häuser weiter und im „Carnaby Market“ an der Ecke Beak Street / Warwick Street. fünfzig Läden auf zwei Etagen.

Während die Carnaby Street am Rande Sohos mit seinen (entschärften) Nachtclubs heute nur noch in Serienproduktion statt in ultramoderner Mode macht, ist das Ausgefallene weiterhin auf den vielen Londoner Märkten zu finden. Samstags von 8 bis 18 Uhr etwa auf der Portobello Road (U-Bahn: Ladbroke Grove, Notting Hill Gate) unter viel Edeltrödel und Antiquitäten zu gehobenen Preisen. Oder mittwochs und samstags auf dem Trödelmarkt „Camden Passage“ (U-Bahn: Angel). Achtung vor Taschendieben samstags morgens im Gedränge auf der Petticoat Lane, dem wohl größten Touristen-Spektakel Londons (U-Bahn: Liverpool Street), wo vorwiegend Textilien billig angeboten werden. Schon ab 5 Uhr morgens ist jeden Freitag der New Caledonian Market geöffnet (U-Bahn: Elephant & Castle), wo es neben viel Trödel und Kleinantiquitäten auch manch preiswertes Sammelstück zu entdecken gibt. Und wer auf Fotojagd gehen will, sollte den Brixton Market nicht auslassen (U-Bahn: Brixton). Montags bis freitags von 8 bis 18 Uhr und samstags von 8 bis 19 Uhr trifft sich an den Obstständen die westindische Bevölkerung dieses Stadtteils. London, wie es wirklich ist, findet, sich aber auch auf dem Billingsgate Market (U-Bahn: Monument), dem jeden Morgen ab 6 Uhr geöffneten Fischmarkt für Großhändler. Wochenendreisenden wird allerdings nichts anderes übrigbleiben, als sich für das eine oder das andere zu entscheiden, wollen sie tatsächlich den Preis für die Flugreise durch günstige Einkäufe wieder wettmachen. Und das gelingt ihnen am besten in den Kaufhäusern im Zentrum. Das wohl bekannteste, Harrods, in Knightsbridge, scheint – dem Sprachengewirr auf den sechs Etagen nach zu urteilen – fest in der Hand von Deutschen, Arabern und Holländern zu sein. Für sie hält das Unternehmen einen eigenen Bankschalter, eine Export-Beratung und einen Touristen-Informationsdienst bereit. Zwar zählt „Harrods“ nicht gerade zu den für deutsche Käufer billigsten Warenhäusern – C&A an der Oxford Street ist für Textilien günstiger -, das Angebot von „Harrods“ bleibt jedoch unübertroffen. Wer alles sehen will – Preisvergleiche mit deutschen Angeboten nicht vergessen -, kann dort einen ganzen Tag bringen. Und das tun denn auch viele deutsche Kurzurlauber. Nach dem „Hamsterkauf “ dann eine Verschnaufpause in der „Coctail Lounge“ im vierten Stock. Plüschsessel und auf den kleinen Tischchen kostenlos Gebäck zum Knabbern. Erinnerung an vergangene Zeiten, als bei ,Harrods“ die Engländer noch unter sich waren…