Es brennt eine Laterne in Oberviechtach

Über einen Staatsbesuch im Bayrischen Wald.

Wegen einer Laterne war am Mittwoch, 5. November 1969, in Oberviechtach im Bayrischen Wald das gesamte Panzergrenadierbataillon 122 auf den Beinen. Kupferfarben und auf einem Steinsockel stehend schaute die metallene Lampe gegen 16 Uhr auf Hauptleute, Leutnante, Unteroffiziere und Mannschaften, die sich rund um das den Münchner Gaslaternen nachgemachte Licht und das Stabsgebäude in exaktem Karree formiert hatten. Großer Dienstanzug mit Stahlhelm, Kampfstiefeln und Koppel war von Oberstleutnant Czicek befohlen worden, und so harrten die Soldaten denn bei drei Grad über Null der Dinge, die da kommen sollten. Wer jedoch zunächst nicht kam, war der Bayerische Ministerpräsident Dr. Alfons Goppel, dessen Besuch aus Anlass der Laterneneinweihung der Bataillonskommandeur seinen Soldaten versprochen hatte. So standen sie denn rund anderthalb Stunden wartend und mit kalten Füßen auf der zukünftigen „Münchner Straße“ des Kasernengeländes. Ministerpräsident Dr. Goppel war aufgehalten worden. Eine Firmenbesichtigung hatte länger gedauert als geplant. Doch gegen 17.30 Uhr signalisierte die Wache am Tor: „Der Gast ist angekommen“. Stillgestanden hieß es nun für die Soldaten der Kompanien vom Hauptmann bis zum Grenadier, und auch das eigens von Regensburg herbeorderte Heeresmusikkorps 4 schlug die Hacken zusammen, Am Mikrophon dann die Begrüßungsansprache. Der Bataillonskommandeur sprach vom Dank der Soldaten an den hohen Gast für seinen Besuch, wisse man doch, wie vielbeschäftigt er sei. Wenn er heute dennoch nach Oberviechtach in den Bayerischen Wald gekommen sei, zeig er damit seine Verbundenheit mit den hier stationierten Soldaten. Und auch auf die Lampe kam Oberstleutnant Cizcek zu sprechen, war sie doch der Grund des offiziellen Münchner Besuchs. „Möge sie den wehrpflichtigen Münchnern ein Zeichen ihrer Heimat sein, möge sie nur auf friedliche Zeiten scheinen.“ Und an den Ministerpräsidenten gewandt: „Denken Sie daran, Herr Ministerpräsident, dass diese Laterne jede Abend bei den Waldlern in der Oberpfalz angezündet wird, wenn die Bürger ruhen und die Panzergrenadiere wachen.“

Auch Ministerpräsident Dr. Alfons Goppel versuchte, den Soldaten den Sinn dieser Laterne zu verdeutlichen. Sie war von ihm gestiftet worden. „Die Laterne hier, genauso aussehend wie die alten Gaslaternen in der Münchner Innenstadt, sollen. die Wehrpflichtigen aus der bayerischen Hauptstadt an ihre Heimat erinnern.“ Und was seinen Besuch anging, meinte der hohe Gast, sei es für ihn kein Opfer gewesen, hierher zu kommen, „helfen Sie doch die Sicherheit, die Freiheit: und den Frieden zu gewährleisten“. Von Gründen anderer Art, wie sie als Gerüchte über die Aufstellung der Laterne vor dem Stabsgebäude innerhalb des Bataillons gefunden wurden, berichtet der Bataillonskommandeur. „Einerseits hat man gemeint, mit der neuen Laterne könne endlich die ständige Finsternis de Unwissenheit des Bataillonsstabes erhellt werden, andererseits glaubte man, mit ihr endlich dem Kommandeur ein Licht aufstecken zu können.“ Aber ob nun „Erinnerung an München oder „Finsternis im Bataillonsstab“, nun ging es an die feierliche Enthüllung. Da sie mehr als zehn Minuten in Anspruch nahm, ist wohl auf die kalten Finger der beiden Grenadiere zurückzuführen, die e erst nach langen Mühen schafften, das verdeckende Tuch vom Lampenschirm zu heben. Doch dann konnte Oberstleutnant Czicek kommandieren: „Licht an!“, und im Stabsgebäude erfüllte in diesem Augenblick ein Soldat die Aufgabe, wegen der er hier schon einige Zeit gewartet hatte: Er betätigte den Lichtschalter. Da brannte sie nun, die „echt“ Münchner Laterne, auf Ministerpräsident Dr. Alfons Goppel, auf Oberstleutnant, auf Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften. Und nachdem das Heeresmusikkorps noch etwas Flottes geblasen hatte, war´s damit zu Ende. Es hieß „Wegtreten“. Gegen 18.30 Uhr hatten die Soldaten des Bataillons schließlich Muße, sich in ihre Kompanien die kalten Füße aufzuwärmen. Wie sie dabei über das neue Licht des Bataillons gesprochen haben, ist nicht bekannt.