„Zwischen Lust und Frust“ – Das Zusammenwirken von lokalen Medien und Parteien

2002: Lokale Medien und Parteien zwischen Lust und Frust, das ist ein weites Feld, um mit Theodor Fontane zu sprechen. Da sind Eingrenzungen nötig, in diesem Fall die auf „Die Öffentlichkeitsarbeit der Parteien auf örtlicher Ebene“.

Wenn Politiker beklagen, sie hätten „keine gute Presse“, dann ist das meistens keine Selbstkritik, sondern dann klingt da oft der Vorwurf der ungerechten Behandlung durch, so als ob die Journalisten anders gekonnt, aber nicht gewollt hätten.

Zugegeben – das mag gelegentlich auch vorkommen. Aber der Normalfall ist das nicht. Es kommt wohl eher auf den Gehalt der Information an. Sprich: Ist die Information wichtig oder belanglos, steht da womöglich eine Binsenweisheit? Dann ist die Wahrscheinlichkeit gering, dass der Text irgendwo erscheint.

Oder ist die Brisanz im Text gar so versteckt, dass der Leser gar nicht erkennt? Dann war die Mühe ebenfalls umsonst.

Oder: Wenn es sich nicht um „harte“ politische Information handelt, sondern um eine Anekdote, eine Randnotiz, wie sie Lokalzeitungen in Wochend-Kolumnen pflegen, dann wäre die Frage: Wie hoch ist der Unterhaltungswert?

Beides, politische Information und Unterhaltung, haben Ihren Stellenwert. Beides kann das Interesse der Leser wecken – allem voran natürlich Stellungnahmen zu aktuellen politischen Themen, Diskussionen, zu Problemen, die die Leute akut beschäftigt. (Das erfordert übrigens rasches Reagieren: Eine Presseerklärung, die sich auf die Ratssitzung von vor zwei Wochen bezieht, lässt eine Partei nicht gerade als tätigen Vulkan dastehen… )

Aber es muss ja gar nicht immer nur um Kommunalpolitik gehen. Viel häufiger steht die Bundes- oder Landespolitik im Mittelpunkt der öffentlichen Diskussion. Auch darauf kann – und sollte – eine Partei vor Ort eingehen, wenn sie es ernst meint mit einem Dialog mit den Bürgern – auch außerhalb von Wahlkampfzeiten.

Ein Beispiel aus dem Ennepe-Ruhr-Kreis: Da wendet sich die örtliche SPD gegen Pläne der Landesregierung, Studiengebühren einzuführen. Eine Pressemeldung der Remscheider SPD zu diesem Thema ist mir nicht bekannt. Die Landespolitik – kein Thema in den Ortsvereinen der Partei?

Nun kann und sollte ein Journalist Parteifunktionäre – welcher Hierarchieebene auch immer – ja nicht zum Jagen tragen. Es hängt also im wesentlichen von der Partei selbst ab, wie sie sich in der Öffentlichkeit darstellt – und wie sie dort ankommt. Das heisst, es hängt von ihrer Politik, von den politischen Inhalten ab, und beides ist eng verknüpft mit den handelnden Personen: Haben sie überhaupt Substanzielles zu sagen, und wenn, auch so, dass der Bürger sie versteht? Und – im Medienzeitalter darf diese Frage natürlich nicht fehlen: Wie kommen sie Protagonisten „über“. Bärbeißig, wadenbeißend, konziliant, aalglatt, ehrlich, kollegial? Denn eines ist klar: Unsere Gesellschaft ist verwöhnt, achtet nicht nur auf den Inhalt, sondern auch auf die Verpackung.

Ich setze einmal voraus, dass die Parteien auf lokaler Ebene Öffentlichkeitsarbeit wirklich wollen. Aber wollen heißt noch lange nicht können. Ob hier die CDU besser da steht als die SPD, kann ich nicht beurteilen. Ich erinnere mich allerdings an einen SPD-Arbeitskreis in Remscheid – es liegt schon einige Jahre zurück und betrifft den jetzigen Unterbezirksvorstand nicht – diese Gruppe erstellte bis ins kleinste Detail ein Konzept für Mitgliederbetreuung. Als man es den Vorsitzenden der Ortsvereine erläutern wollte, reagierten die eher widerwillig. Ich weiß nicht, in welchem Schreibtisch die Papiere und Disketten kurz darauf gelandet sind – umgesetzt worden ist das Konzept jedenfalls nie.

Generell habe ich den Eindruck, je mehr eine Partei an die Macht drängt, desto offensiver – und manchmal für die Journalisten geradezu lästig – ist ihre Öffentlichkeitsarbeit. Da wäre weniger manchmal mehr. Und umgekehrt: Eine Partei, die den Oberbürgermeister stellt, neigt zur Trägheit, was die Öffentlichkeitsarbeit angeht. Ich habe den Eindruck, für die Parteien ist die Öffentlichkeitsarbeit in erster Linie dazu da, Stimmen zu gewinnen für die nächste Wahl; die Information selbst ist da nur zweitrangig. Anders sind die vor Polemik strotzenden Leserbriefe von Parteifunktionären im laufenden Bundestagswahlkampf (2002) nicht zu erklären, die diese wahrscheinlich als gekonnte Öffentlichkeitsarbeit verstehen. (Für jedwede Pressearbeit gilt im übrigen die Regel: In der Kürze liegt die Würze. Ich glaube, es war Johann Wolfgang von Goethe, der einen Brief mit den Worten begann: „Ich schreibe dir einen langen Brief, weil ich keine Zeit habe, einen kurzen zu schreiben“. Will sagen: Gute Texte, auf den Punkt gebracht, schüttelt man nicht aus dem Ärmel. An denen muss gearbeitet werden. Wenn sie dann gelesen – und behalten werden – hat es sich gelohnt. Mehr Lust, weniger Frust. Für uns alle.)

Interessant zu beobachten ist auch, wie die Parteigliederungen an der Basis mit jenen Problemen umgehen, die ihnen die Mutterpartei auf Bundesebene beschert. Meine Erfahrung: Es kann noch so knüppeldick kommen, Negativschlagzeilen noch und noch in der Presse von Kiel bis Konstanz, aber in Ortsvereinsversammlungen und Delegiertenkonferenzen auf Unterbezirksebene bleibt die Welt in Ordnung, ist das dann alles kein Thema. Friede, Freude, Eierkuchen, Zaudern und Zögern statt offener Worte. Auseinandersetzungen mit Sachthemen gehen die Ortsvereine lieber aus dem Wege. Und selbst Korruptions- und andere Skandale wie im Falle Wuppertal werden eher verharmlost als offensiv aufgeklärt. Motto: Nur kein Streit!

Wenn die Ortsvereine im eigenen Saft köcheln und sich auf das nächste Sommerfest konzentrieren, wirkt sich das auf die Arbeit in der Ratsfraktion und damit letztlich auf die Außendarstellung der Partei eher negativ aus. In der Fraktionssitzung agieren die Mandatsträger dann frei schwebend, ohne Auftrag oder Meinungsbild aus ihrem Ortsverein, je nach Stimmungslage, wenn sie überhaupt reagieren. Wer nichts macht, macht auch nichts verkehrt. Das macht dem Fraktionsführer auf den ersten Blick die Arbeit schwer, erleichtert es ihm aber letztlich, seine eigenen Vorstellungen durchzusetzen. (Bleibt ihm zu wünschen, dass er immer die richtigen hat…)

Allzu oft steht die eigene Befindlichkeit an erster Stelle und die politische Auseinandersetzung kommt zu kurz. Ist der Ortsverein, der Unterbezirk, die Ratsfraktion von solchen persönlichen Befindlichkeiten gehemmt, ist es schwierig, offensive Presse- und Öffentlichkeitsarbeit zu machen. Dann gehört Mut dazu, die Texte auch von solchen Partei“freunden“ gegenlesen zu lassen, die zwar von neuer Rechtschreibung und Zeichensetzung womöglich mehr verstehen, aber nicht dem eigenen Parteiflügel angehören. Und der Aktive muss auch lernen, auf diejenigen Genossinnen und Genossen mit stoischer Gelassenheit zu reagieren, die es auf Mitgliederversammlungen immer schon „viel besser“ gewusst, die aber noch nie selbst eine Zeile zu Papier gebracht haben.

Und damit zur Mitgliederwerbung: Wer sein Mandat, sein Vorstandsamt, seinen Aufsichtsratsposten als lebenslanges Lehen betrachten und schon tödlich beleidigt ist, wenn seine Arbeit auch nur in Ansätzen hinterfragt wird, dürfte an der Mitgliederbung ebenso wenig Interesse haben wie an der Integration neuer, zur Mitarbeit bereiter Mitglieder.

Soweit das Zusammenwirken lokaler Medien und gesellschaftlicher Gruppierungen mit dem Schwerpunkt „Pressearbeit der Kommunalpolitiker“.

Aber damit nicht der Eindruck entsteht, die Journalisten könnten nicht selbst recherchieren, sondern warteten nur auf die Pressetexte der Parteien, um sie dann brav zu veröffentlichen: Natürlich greifen die Journalisten auch selbst Themen auf. Die CDU-Spendenaffäre und die Wuppertaler Skandale zeigen, wie unangenehm das den Parteien sein kann. Allzu oft wird dann nach der Devise gehandelt: Vertuschen, Verleugnen, Verharmlosen. Da werden Personen der lokalen Zeitgeschichte, die sonst jede Namensnennung, jedes Bild von sich in der Presse als Imagepflege verstanden haben, wenn sie plötzlich am öffentlichen Pranger stehen, werden sie flugs wieder zu Privatpersonen mit einem Recht auf Intimsphäre. Und die verbietet dann – ihrer Meinung nach – die Namensnennung in der Presse. Im Fall „Wuppertal“ sprechen, besser sprachen namhafte Sozialdemokraten gar von Vorverurteilung und verlangten von der Presse, die Namen von Verhafteten abzukürzen, als gäbe es die diesbezüglichen Richtlinien des Deutschen Presserates nicht, die das bei Personen der lokalen Zeitgeschichte ausdrücklich zulassen.

Sie sehen also: Das Zusammenwirken geschieht durchaus in einem Spannungsfeld. Und nicht immer sind allen Beteiligten die gemeinsamen Spielregeln klar.

(Nach einem Referat auf dem SPD-Medienforum in Remscheid am 18.6.2002)