Bitte auf dem Teppich bleiben

Die Kurzfassung könnte so aussehen: Bitte auf dem Teppich bleiben und nicht so viel Aufhebens machen. Danke. Das war`s dann.

Erschienen im „Journal“ des DJV-Landesverbandes NRW im Rahmen der Berichterstattung über den Landesgewerkschaftstag 2001 in Dortmund

Vielleicht haben einige von Ihnen gedacht, das wär`s wirklich gewesen. Aber bei aller Nüchternheit und Rationalität, die man mir nachsagt: So lapidar kann man sich aus einem Landesvorstand nach 20 Jahren nicht verabschieden.

Keine Angst, ich denke nicht daran, diese Jahre jetzt einzeln Revue passieren zu lassen. Ich glaube, mir würde ohnehin nicht zu jedem Jahr etwas einfallen – den DJV betreffend. Das mag an meinem Gedächtnis liegen, vielleicht aber auch daran, dass manches von dem, was mich im Landesvorstand beschäftigt hat, in der Rückschau weit weniger bedeutungsvoll erscheint als zum Zeitpunkt des Geschehens. Ohnehin hat sich der Landesvorstand – in welcher Zusammensetzung auch immer – oft auch mit Dingen beschäftigt, die wir eigentlich der Verwaltung als“laufendes Geschäft“ hätten anvertrauen können.

1980. Die Wahl in den Landesvorstand. In Gütersloh, wo ich Lokalchef war. Für drei Leute im Vorstand eine Zeitmarke, für Rolf, Michael und mich. Aber kein Start von Null auf Hundert. Sondern eher eine logische Konsequenz. Denn davor liegen andere Zeitmarken. Für mich 1970: Stellvertretender Vorsitzender im Verein Bergische Presse, heute Bergischer Journalistenverein. Dann die Arbeit im Fachausschuss Tageszeitungen, einige Jahre als Vorsitzender. Der Vorsitz im Fachausschuss Rundfunk kam ja erst viel später.

Ich habe lange überlegt, was ich als mein persönliches DJV-Highlight dieser inzwischen mehr als dreißig Jahre nennen soll. Ich glaube, es waren die Warnstreiks im Jahre 1980 für einen neuen Manteltarifvertrag an Tageszeitungen, für eine erstmals geregelte Wochenarbeitszeit, für die Fünf-Tage-Woche.

Über den Warnstreik der Gütersloher Lokalredakteure berichtete damals Berthold Krähling vom WDR Münster in „Hier und heute“. Werner Reuter, DJV- Landesvorsitzender, war angereist und wurde interviewt, während wir in der Fußgängerzone vor selbst gemalten Plakatwänden als Sandwich-Men Flugblätter verteilten.

Das war der Anfang einer kurzen, aber nachhaltigen Eiszeit. Zwischen einem Lokalchef und seinem Verleger. Sie sehen also, ich habe dem DJV viel zu verdanken.

Nein, das ist durchaus ehrlich gemeint. Man überlegt ja manchmal: was wäre gewesen, wenn… Wenn ich in der Redaktion geblieben wäre und brav Zeitung gemacht hätte, statt zu streiken …. Gütersloh ist eine schöne Stadt. Mit drei Lokalzeitungen. Auch heute noch. Aber dennoch: Gut, dass es nicht so gekommen ist.

Aber dem DJV habe ich mehr zu verdanken als nur einen Ortswechsel: Freundschaften, menschliche Begegnungen, neue Fachgebiete (wer hätte gedacht, dass ich mich jemals für Details der Altersversorgung interessieren würde), ja, auch berufliche Stationen, wenn ich an die Jahre im Personalrat des WDR denke. Das sind für mich bleibende Erinnerungen, bleibende Werte, und deshalb bleibt der DJV auch meine gewerkschaftliche Heimat.

Gelegentlich fragt mich ein Volontär: „Was habe ich davon, wenn ich im DJV Mitglied werde?“ Lieber als der Hinweis auf Dienstleistungen und Service-Angebote ist mir dann immer der Hinweis auf so was Altmodisches wie Solidarität. Es gibt eben Grundsätze, denen sollte man treu bleiben. Auch auf die Gefahr hin, nicht verstanden zu werden. Manche Erkenntnisse müssen reifen.

Damals, zwischen 1970 und 1980, gab es viele, die hatten verstanden. In heißen Debatten, manchmal auch Geschäftsordnungsdebatten, trugen sie entscheidend dazu bei, dass aus dem Berufsverband DJV die Gewerkschaft für Journalistinnen und Journalisten wurde.

Ich bin nicht unbedingt stolz darauf, ein Deutscher zu sein. Da halte ich es mit unserem Bundespräsidenten. Aber ich bin stolz darauf, an dieser Entwicklung des DJV mitgewirkt zu haben.

Wie diese Entwicklung weiter geht? Ich bin unsicher. Klar, der DJV ist weiter im Aufwind. Keine Frage. Ein Blick auf die Journalist- Seiten mit den Neuanmeldungen beweist es. Das stärkt die Streikkasse und lässt auch den Schatzmeister ruhig schlafen. Und ermöglicht jetzt sogar den Umzug der Düsseldorfer Geschäftsstelle in ein eigener, modernes Haus, ein Drei-Millionen-Objekt, von dem zu Träumen Erwin Burgmaier damals nicht zu träumen gewagt hätte. Aber keine Preisklasse, in der wir uns auf Dauer bewegen könnten und sollten.

Über die Bereitschaft, sich für den DJV zu engagieren, sagt die Mitgliederentwicklung nicht viel aus. Auch nicht die Zahl der Hauptamtlichen, die in den letzten Jahren ebenfalls gestiegen ist. Auf Bundes- wie auf Landesebene.

Der DJV, das war für mich immer eine kleine, aber dennoch starke Gewerkschaft; mit Sachverstand und Phantasie voran getragen von engagierten Mitgliedern und hauptamtlichen Mitarbeitern gleichermaßen. Keine Lackschuhgewerkschaft, die teure Agenturen oder Extratouren à la Montepulciano nötig hätte.

Bei allen notwendigen Reformen: Bleibt mit beiden Beinen auf dem Teppich, denkt daran, was den DJV nicht nur erfolgreich macht, sondern auch sympathisch: Kompetenz, Sachbezogenheit, ein erfrischend uneitles Verhältnis zur eigenen Größe – zugleich aber auch eine angemessene Bescheidenheit, nicht nach außen, gegenüber Verlegern und Unternehmern, wohl aber nach innen.