Die Ruhrgas AG und die Verflechtungen mit anderen Konzernen

Damit die Hochzeitsvorbereitungen für die Ehe der beiden Energiekonzerne RWE und VEW nicht ins Stocken geraten und das Bundeskartellamt womöglich als Trauzeuge seine Zustimmung verweigert, will sich der Essener RWE-Konzern von seinen derzeitigen Anteilen an der Ruhrgas AG, ebenfalls Essen, trennen. Als Käufer der Ruhrgas-Anteile hat sich ein anderer Energiekonzern angeboten, die VEBA, die mit der VIAG zum E-on-Konzern fusioniert. Ein Hintergrundbericht über die verschachtelten Besitzverhältnisse der Ruhrgas.

ARD-Sammelangebot des Studios Essen am Montag, 29. Mai 2000

Von Lothar Kaiser

Ohne Veränderungen der Unternehmensstruktur wären durch die Fusionen von VEBA und VIAG sowie RWE und VEW in Deutschland zwei Energiekonzerne entstanden, die dreiviertel des deutschen Strommarktes beherrscht hätten. Deshalb die kartellrechtlichen Fusionsauflagen der Wettbewerbshüter. Ulf Böge, Präsident des Bundeskartellamtes:

O-Ton: 75% Abdeckung des Marktes, das wäre nach dem Gesetz nicht möglich.

Bei RWE und VEW, bundesweit an rund 100 Regionalversorgern und Stadtwerken beteiligt, und bei VEBA und VIAG wurde darauf hin fleißig nachgedacht, wie man die Zustimmung des Kartellamtes zu den Fusionen gewinnen könnte. Das Ergebnis stellt sich bislang so dar:

E.on gibt den 20prozentigen Anteil, den die VIAG-Tochter Bayernwerk an der VEW hält, – Wert rund zwei Milliarden Mark – an die RWE ab. Und erhält dafür von der RWE deren 12-Prozent-Anteil Berliner GASAG, die bayerische Gasgesellschaft „Erdgas Schwaben“ und den 3,45-Prozent-Anteil der RWE-Tochter DEA an der Ruhrgas. Ferner geht von der VEW ein 28-Prozent-Paket der Gelsenwasser AG an die E.on über.

Die jüngsten Entflechtungspläne zeigen: Beide Energiekonzerne, sowohl RWE/VEW als auch VEBA/VIAG; setzen künftig verstärkt auf Erdgas. Erst in der vorigen Woche hatte RWE bekannt gegeben, dass sie von Esso Deutschland 25 Prozent der Anteile an der Thyssengas GmbH in Duisburg übernimmt. RWE hält dann 75% der Anteile an Thyssengas, der fünftgrößten deutschen Ferngasgesellschaft. Die verbleibenden 25% besitzt die niederländische Shell. RWE/VEW planen im Zuge ihrer Fusion, der Westfälischen Ferngas-AG in Dortmund den gesamten Gasbereich des neuen Konzerns zu übertragen.

Des ungeachtet bleibt die Essener Ruhrgas AG der größte Erdgaslieferant in Europa. 40 Prozent der Ruhrgas-Aktien liegen über Beteiligungsfirmen bei Mobil Oil, Shell, Esso, BP und Preussag. Weitere Ruhrgas-Anteile halten Mannesmann, Thyssen, RAG, VEBA und die RWE-Tochter DEA über die Bergmann GmbH. Die verfügt damit über fast 60 Prozent aller Ruhrgas-Aktien.

Der Essener RAG-Konzern hält selbst zwar nur 18% der Anteile an der Bergemann GmbH. Aber ein Sondervertrag schließt das Stimmrecht der anderen Gesellschafter aus. Es ist also die RAG, die bei der Ruhrgas den Ton angibt. Der stellvertretende RAG-Vorstandsvorsitzende Wilhelm Beermann beschrieb die Rolle der RAG einmal so:

O-Ton: Dies ist ein sehr komplexes, kompliziertes Gebilde. Wir sind der Aktionär, der die Führung im Bergemannpool hat. Wir sind für sich genommen nicht der größte Aktionär, wir sind aber in einer gewissen Schlüsselfunktion.

Im RAG-Konzern, der bei der Ruhrgas das Sagen hat, zieht demnächst die RWE ein, indem sie im Zuge der Fusion mit der VEW deren 30,2-Prozent-Anteil an der RAG übernimmt. 39,2 Prozent der RAG-Aktien hält die VEBA, also der neue E.on-Konzern. Und will ihr Gewicht bei der Ruhrgas durch die Übernahme des Ruhrgas-Paketes von RWE-DEA vergrößern. Noch aber sind die Verhandlungen zwischen RWE und VEBA hierüber nicht zu Ende. RWE-Pressesprecher Volker Heck:

O-Ton: „Wir gehen davon aus, dass wir eine kartellrechtliche Klärung haben rechtzeitig vor den beiden Hauptversammlungen von VWE am 27. Juni und von RWE am 29. Juni.“

Und noch ein weiterer Waggon mit einem großen Ruhrgas-Paket wird den Verschiebebahnhof demnächst passieren. Denn der Vodafone-Konzern plant den Verkauf der Ruhrgas-Anteile, die ihm durch die Übernahme von Mannesmann in den Schoß gefallen sind. Der Wert dieses 8,1 Prozent-Paketes wird auf 1,4 Milliarden Mark geschätzt. Geld, das Vodafone für neue Mobilfunk-Lizenzen braucht. Wer hier als Käufer auftritt, ist noch nicht bekannt.