Steag: Was wird aus der „Tochter“ der RAG?

Gut möglich, dass der Strom, der da gerade ihren PC laufen lässt, aus Voerde, Walsum, Herne, Lünen oder Bergkamen kommt. Denn dort betreibt die Essener STEAG große Kohle-Kraftwerke. Sie bringen es auf eine Leistung von mehr als 4000 Megawatt. Insgesamt verkaufte die STEAG im vergangenen Jahr rund 22 Milliarden Kilowattstunden Strom – so kostengünstig wie kaum ein anderer Kraftwerksbetreiber in Deutschland – und erzielte damit einen Erlös von fast 1,9 Milliarden Mark – allerdings ein Zehntel weniger als im Jahr zuvor, Auswirkung des Preiskampfes auf dem Strommarkt. Weitere Zahlen wird die heutige Bilanzpressekonferenz in Essen liefern. Den meisten Strom verkauft die STEAG künftig an den fusionierten Energie-Multi RWE/VEW. Da hätte es nahe gelegen, den Lieferanten enger an den Großkunden zu binden. Doch daraus wird nichts.

Gesendet am Mittwoch, 24. Mai 2000,im „Morgenecho“ auf WDR 5

Von Lothar Kaiser

Angesichts des harten Preiskampfes auf dem Strommarkt wäre Karl Starzacher, Vorstandsvorsitzender der Essener RAG, eine engere Anbindung der Konzerntochter STEAG an den Energie-Multi RWE im Hochhaus gleich nebenan nur recht gewesen. Denn der ist der größte Stromabnehmer der Steag.

O-Ton: Die Steag-Kraftwirtschaft hat zur Zeit vier Kunden. Das eine ist RWE, das zweite ist VEW, das dritte ist die Deutsche Bahn und das vierte ist die Deutsche Steinkohle. RWE/VEW haben im ersten Quartal dieses Jahres etwa 80% der erzeugten Energie abgenommen. In einer solchen Situation, wo natürlich auch über den Preis von Strom hart verhandelt wird, liegt es nahe, über Möglichkeiten einer verstärkten Zusammenarbeit zu reden.

Zunächst war gemunkelt worden, das Kraftwerksgeschäft von VEW, RWE und STEAG solle in einer gemeinsamen „Energie AG“ gebündelt werden. Diese hätte den Stromabsatz der STEAG langfristig gesichert. Später hatte die RWE gar einen Kauf der Steag angeboten.

Beides ist inzwischen Makulatur. Der RAG-Konzern erklärte überraschend, die STEAG werde als Strom-Erzeuger und Energiedienstleister unabhängig bleiben und sich verstärkt im Ausland engagieren.

O-Ton: Wir werden versuchen, die Kompetenz, die wir haben, sowohl technisch als auch, was das qualifizierte Personal betrifft, so einzusetzen, dass daraus ein größerer Erfolg wird.

Im Visier habe die STEAG Großprojekte in den USA und in Lateinamerika, die auch für den internationalen Kohlehandel der RAG interessant seien. In einem in Iskenderun in der Türkei geplante Kraftwerk beispielsweise wird die RAG nach der Fertigstellung jährlich drei Millionen Tonnen Kohle absetzen können.

Was steckt hinter der Neuorientierung der Steag? In einem öffentlichen Vortrag beantwortete Karl Starzacher diese Frage kürzlich nur vage:

O-Ton: Natürlich hat es unmittelbare Auswirkungen, wenn im Kreis unserer Aktionäre Großfusionen stattfinden.

Größter Aktionär der RAG ist die VEBA mit fast 40 Prozent. Die VEW hält 30 Prozent. Und bringt dieses Aktienpaket natürlich in die Fusion mit der RWE ein. Im RAG-Aufsichtsrat, dem Wohl dieses Konzerns verpflichtet, werden sich also künftig die beiden Energie-Konkurrenten VEBA und RWE gegenübersitzen. Dort führt VEBA-Chef Ulrich Hartmann den Vorsitz.

Nun ist die Fusion von VEW und RWE zwar noch nicht unter Dach und Fach. Und auch die nicht zwischen VEBA und VIAG. Aber angesichts der Forderung des Bundeskartellamtes an die VEBA, im Zuge der Fusion mit der VIAG müsse sie sich von einigen ihrer Energie-Beteiligungen trennen, stand VEBA-Chef Hartmann nicht der Sinn danach, dem Konkurrenten RWE durch eine Übernahme der STEAG einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. Dagegen soll er sich im RAG-Aufsichtsrat energisch gesträubt haben.

Eine pikante, eine schwierige Situation für den auf Handlungsfähigkeit angewiesenen RAG-Vorstand unter Karl Starzacher. An einer Pattsituation im Aufsichtsrat kann er kein Interesse haben:

O-Ton: Wir müssen den Konzern in allen Teilbereichen so stark machen, dass wir einmal den Verpflichtungen nachkommen können, einen eigenen Deckungsbeitrag für die deutsche Steinkohle zu leisten, und wir wollen darüber hinaus auf neuen zukunftsweisenden, gewinnbringenden Geschäftsfeldern gute Geschäfte machen. Unsere Aktionäre sind eigentlich verpflichtet, uns die positive Entwicklung zu ermöglichen.

Und wenn es danach nun gerade nicht aussieht, wurde Starzacher gefragt …

O-Ton: Wenn wir so etwas wahrnehmen würden, würden wir versuchen, Konzepte zu entwickeln, um mögliche Hemmnisse zu überwinden.

Ein solches Konzept könnte sich hinter der verstärkten Ausrichtung der STEAG auf neue Märkte im Ausland verbergen. Und was sagt der Aufsichtsrat derRAG dazu? Nicht wenige würden da gerne mal Mäuschen spielen.