Im Herbst Gespräche mit der Politik über Kohlesubventionen ab 2005

Der Kohlekompromiss aus dem Jahre 1997 sieht bis 2005 einen schrittweisen Abbau der staatlichen Kohlehilfen vor. Ob und in welcher Höhe sie in späteren Jahren noch fließen werden, ist nach wie vor unklar. Gespräche mit der Bundesregierung, die diese Frage klären müssen, sollen vor Beginn des nächsten Bundestagswahlkampfes zu einem Ergebnis führen.

Gesendet in leicht gekürzter Form am Mittwoch, 17.5.2000, in „Profit“ auf WDR 5

Von Lothar Kaiser

Dem Essener Energie- und Technologiekonzern RAG, der über seine Tochtergesellschaft Deutsche Steinkohle AG in Herne sämtliche deutschen Steinkohle-Bergwerke betreibt, läuft die Zeit davon. Denn weil im Bergbau langfristig geplant werden muss, dürfen Gespräche über künftige Kohlesubventionen, über die sogenannte Anschlussregelung nicht auf die lange Bank geschoben werden. Im Herbst vorigen Jahres war der stellvertretende RAG-Vorstandsvorsitzende Wilhelm Beermann noch zuversichtlich:

O-Ton: Wir gehen davon aus, dass wir spätestens Anfang nächsten Jahres die politischen Verhandlungen aufnehmen werden für die Anschlussregelung, die uns in die Lage versetzt, den nationalen Bergbau als ein wesentliches Versorgungselement der deutschen Wirtschaft weiter gestalten und finanziell fördern zu können.

Und heute, fünf Monate nach Jahresanfang? Nunmehr hofft die RAG darauf, dass die Verhandlungen mit der Bundesregierung im kommenden Herbst beginnen werden. Der RAG-Vorstandsvorsitzende Karl Starzacher möchte die Anschlussregelung für die Kohle baldmöglichst unter Dach und Fach haben, auf jeden Fall aber, bevor der nächste Bundestagswahlkampf beginnt; denn er möchte das Für und Wider einer künftigen Kohlesubventionierung lieber sachlich, emotionsfrei diskutiert wissen anstatt auf hitzigen Wahlveranstaltungen.

Bei öffentlichen Auftritten gibt sich Starzacher, der frühere hessische Finanzminister, der seit Jahresbeginn an der Spitze der RAG steht, gerne zuversichtlich, dass der Steinkohlebergbau „deutlich über das Jahr 2005 hinaus“ gesichert werde. Dies werde aber nicht ohne schwierige und harte Auseinandersetzungen gelingen. Und er lässt keinen Zweifel daran, dass die Entscheidung über die Zukunft des Steinkohlebergbau in Deutschland eine politische Entscheidung sei.

O-Ton: Wenn die Politiker, die darüber zu entscheiden haben, entscheiden würden, dass es für den Deutschen Steinkohlenbergbau keine Subventionen mehr gibt, dann wäre dies das Ende des Deutschen Steinkohlenbergbau. Der Konzern wäre nicht in der Lage, ausfallende öffentlichen Fördergelder zu kompensieren. So viel Geld können wir in den übrigen Bereichen, im sogenannten weißen Bereich, gar nicht verdienen. Wir haben uns verpflichtet, ab 2001 jährlich 200 Millionen Mark aus dem sogenannten weißen Bereich, das heißt aus den anderen Konzernteilen zur Abdeckung des Defizits im Steinkohlenbergbau als Quersubvention zur Verfügung zu stellen. Wir können diesen Beitrag nicht erhöhen.

Der Kohlekompromiss von 1997 sieht aber nicht nur vor, dass sich der RAG-Konzern zwischen 2001 und 2005 mit insgesamt einer Milliarde Mark an der Stützung des Steinkohlebergbau beteiligt, sondern die RAG hat sich auch verpflichtet

O-Ton: … den notwendigen Abbau der Belegschaft von 1997 noch 84.000 Beschäftigten auf 36.000 Beschäftigte im Jahr 2005, das ist also weniger als die Hälfte, sozialverträglich zu gestalten, das heißt unter allen Umständen auf betriebsbedingte Kündigungen zu verzichten. Allein im Jahr 2000 müssen 12.000 Arbeitsplätze abgebaut werden von derzeit – Jahresende 1999 – 66.000 auf 54.000 zum Ende dieses Jahres. Und im nächsten Jahr werden es noch einmal 8.400 sein. Und im Jahr danach noch einmal über 5000. Wenn wir nur 5000 Mitarbeiter mehr beschäftigen, bedeutet das eine Belastung für unser Budget, für unsere Bilanz von 500 Millionen Mark. Und ein Konzern, eine Holding, die mit einem Eigenkapital von 950 Millionen Mark nur ausgestattet ist, kann so was ein Jahr verkraften, kann das vielleicht auch ein zweites Jahr verkraften, aber dann wären wir in einer außerordentlich schwierigen Situation.

Genau deshalb möchte die RAG lieber heute als morgen wissen, ob und in welcher Höhe sie für ihre 36.000 Bergleute ab dem Jahre 2005 mit staatlicher Hilfe rechnen kann. Gewiß, im Januar sprach sich Bundeskanzler Gerhard Schröder bei einem Besuch der RAG-Zentrale in Essen im Grundsatz für eine Fortsetzung der Kohlesubventionen aus:

O-Ton: Wir sind doch wohl gemeinsam der Überzeugung, dass wir auch nach 2005 noch einen Kern, einen wichtigen Kern von Steinkohlebergbau im Revier brauchen. Vielleicht kriegen wir das ja zusammen hin, sollten wir versuchen.

Doch den Worten müssen Taten folgen. Die Bergleute wollen wissen, was sie von der Politik zu erwarten haben. Dass die Gespräche zwischen RAG und Bundesregierung nun für den Herbst verabredet zu sein scheinen, beruhigt sie. Anderthalb Jahre müssten ausreichen, um vor Beginn des nächsten Bundestagswahlkampfes zu einem Ergebnis zu kommen.

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Zwischen 2001 und 2005 soll der RAG-Konzern jährlich maximal fünfzig Millionen Mark, die er in seinem sogenannten „weißen Bereich“ erwirtschaftet hat, in den defizitären „schwarzen Bereich“ stecken, in die deutsche Steinkohle, und zwar zusätzlich zu der im Kohlekompromiss von 1997 vereinbarten Summe von einer Milliarde Mark (zwischen 2001 und 2005 jährlich 200 Millionen). Soweit die Erwartung von Bundeswirtschaftsminister Werner Müller, der, wie das Handelsblatt am 22.6.2000 zitierte, es als seine Aufgabe ansieht, „ein Stück Druck auf die öffentlichen Haushalte an die Ruhrkohle weiterzugeben“. Schließlich hat er in seinem Etat für 2001 noch eine Lücke von 250 Millionen Mark. Und im übrigen profitiere die RAG ja auch von der anstehenden Steuerreform. Doch der RAG-Konzern sträubt sich, seinen Anteil an der Kohlesubventionierung zu erhöhen. Das gilt auch für die beiden Hauptaktionäre VEBA und RWE. Denn die haben ein Interesse daran, aus den Handels- und Beteiligungsgeschäften des „weißen Bereichs“ der RAG auch künftig über Dividenden finanziellen Nutzen zu ziehen.

Die RAG gab dazu am 14. Juli 2000 folgende Presseerklärung ab:

„Zwischen 2001 und 2005 wird die RAG vertragsgetreu ihrer Verpflichtung nachkommen, den heimischen Bergbau selbst mit insgesamt einer Milliarde DM aus dem RAG-Verbund zu unterstützen. Spekulative Erwägungen, dass RAG einen höheren Eigenbeitrag zur Unterstützung der deutschen Steinkohle leisten könnte, verkennen völlig das Ausmaß dessen, was bereits jetzt den Bergleuten und den Bergbauregionen abverlangt wird. So muss der heimische Steinkohlenbergbau politisch gewollt allein in diesem Jahr Monat für Monat 1.000 Arbeitsplätze sozialverträglich abbauen. Dieser Personalabbau wird in den nächsten Jahren fortgesetzt, dabei wird die Belegschaftszahl von 84.000 (1997) auf 36.000 bis 2005 zurückgeführt. Zugleich werden die Finanzhilfen in diesem Zeitraum auf die Hälfte reduziert und die Förderung bis zum Jahr 2005 um die Hälfte zurückgefahren. Dieser dramatische Anpassungsprozess ist mit ungewöhnlich harten Einschnitten in die Belegschaft und das Unternehmen verbunden und kann nur gelingen, wenn die im Kohlekompromiss gegebenen politischen Zusagen verlässlich eingehalten werden. Der Vorstand der RAG sieht sich deshalb außerstande, Forderungen nachzukommen, die für einen höheren Eigenbeitrag der RAG im Rahmen des mit dem Bund und dem Land NRW ausgehandelten Kohlekompromisses plädieren. Der Bundesfinanzminister ist mit einem solchen Anliegen nicht an die RAG herangetreten. Eine weitere Kürzung der ohnehin kontinuierlich sinkenden öffentlichen Mittel würde sowohl den sozialverträglichen Anpassungsprozess im deutschen Steinkohlenbergbau als auch den Beitrag der RAG zum Strukturwandel in den Bergbauregionen in hohem Maße gefährden.“

RAG ohne Unterstützung durch die CDU:

Die denkt bereits über die komplette Abschaffung der Kohlesubventionen zum Jahre 2010 nach. Das hat am 8. Juli 2000 der wirtschaftpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion erklärt, Gunnar Uldall. Aus energiepolitischen Gründen sei es nicht erforderlich, einen Rest von deutschem Steinkohlebergbau auf Dauer zu erhalten. Steinkohle zu günstigen Preisen gebe es auf dem Weltmarkt genug, und im übrigen stehe in Deutschland ja auch noch Braunkohle zur Verfügung. Würden die von 1998 (8,25 Milliarden Mark) bis 2005 auf 3,8 Milliarden Mark zurückgefahrenen Kohlesubventionen des Bundes in den Folgejahren entsprechend weiter verringert (jährlich um 600 bis 700 Millionen Mark), sei im Jahre 2010 das Ende erreicht. Zu überlegen sei aber auch, ob die Subventionen nicht schon im Jahre 2003 stärker reduziert werden könnten als im Kohlekompromiss von 1997 vereinbart, da der RAG-Konzern zu diesem Zeitpunkt die Kohleförderung bereits auf das ursprünglich für 2005 vorgesehene Maß reduziert haben werde.

Die Reaktion darauf ließ nicht lange auf sich warten: Von „Unsinn“ sprach Hubertus Schmoldt, der Vorsitzende der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie, und warf dem CDU-Politiker vor, „augenscheinlich einen Wortbruch vorzubereiten“ und sich „auf Kosten der Bergleute profilieren“ zu wollen. Wo Glaubwürdigkeit uund Zuverlässigkeit offenkundig überhaupt keine Rolle mehr spielten, werde „der Parteiverdrossenheit Vorschub geleistet“. Immerhin sei in der 1997 von der damaligen konservativ-liberalen Bundesregierung geschlossenen Kohlevereinbarung eine Anschlussregelung für den deutschen Steinkohlebergbau nach 2005 festgeschrieben worden. Daran müßten sich alle (!) damals Beteiligten auch weiterhin halten.