Die alte Kokerei Zollverein, einst „die heißeste Imbissbude des Ruhrgebiets“

koks1layer1Die stillgelegte Kokerei Zollverein in Essen-Katernberg zählt zu den bedeutendsten Zeugnissen der lndustriegeschichte Europas. Ob sie in die Liste des Weltkulturerbes der UNESCO aufgenommen wird, muß sich erst noch entscheiden. Der Antrag ist jedenfalls gestellt. Auch jetzt, im Winter, lassen sich vor allem Architektur-Fans und Fotografen an den Wochenenden gerne von ehemaligen Kokerei-Mitarbeitern durch die Anlage führen. Dabei erfahren sie dann, daß die Kokerei Zollverein zeitweilig nicht nur die größte in Europa war, sondern auch „die heißeste Imbissbude des Ruhrgebiets“.

In kürzeren Fassungen gesendet am Dienstag, 8. Januar 2000, in „Reisezeit“ auf WDR 2 und Freitag, 21. Januar 2000, als Ausflugstip auf WDR 4

Von Lothar Kaiser

O-Ton Nießen

Wer an einem trüben, nasskalten Wintertag an der Straße „Arendahlswiese“ in Essen-Katernberg schwarz-weißen Schildern mit der Aufschrift „Führung“ folgt, sollte sich warm anziehen. Denn das Objekt, das es dort zu besichtigen gibt, die alte Kokerei Zollverein, wird schon seit mehr als sechs Jahren nicht mehr beheizt.

Unterhalb eines schnörkellosen, hohen Backsteinbaus aus Stahlträgern und dunkelrotem, verwitterten Backstein stehen etwa ein Dutzend Leute, die Hände in den Manteltaschen. Teils haben sie sich zur Besichtigung der industriellen Großanlage ganz spontan entschlossen, teils war das seit langem geplant:

O-Ton: Das war der Zufall. – Ja, ein Ausflug. – Auf unserem Rundweg haben wir es hier gesehen.

O-Ton Schlüssel im SchloßEine rostige Eisentüre öffnet sich. Im Halbdunkel dahinter ein hochge-wachsener Mann in einem weißen Wollmantel, wie ihn Bergleute überta-ge tragen, wenn es kalt ist.

O-Ton Türe fällt zu

O-Ton: So, Mein Name ist Hermann Tappe.Ich war mal neun Jahre auf der Kokerei tätig als Obersteiger. Ich kann Ihnen viel erzählen.

O-Ton Treppensteigen

koks2layer1O-Ton: Kokerei Zollverein, so, wie sie jetzt hier steht, hat einen Vorläufer. Es gab mal eine kleine Kokerei, die war angegliedert an die Zeche Zollverein. Das war eine Kleinanlage, die ist 1916 erbaut worden, machte am Tag ungefähr 380 Tonnen Koks. Dieser Koks war nicht für die Hütten gedacht. Dieser Koks war als Hausbrand gedacht, für die Eigenversorgung auf der Zeche. Dafür war dieser Koks gedacht. Und diese Kokerei ist 1953 stillgelegt worden. 1955 und in den Jahren danach, da stellte sich heraus eine große, große Energiekrise, d.h. es mangelte an Kohle, es mangelte an Koks überall. Und die damalige Zechengesellschaft, Gelsenkirchener Bergwerksgesellschaft, damals gab es noch nicht die Ruhrkohle, entschloss sich, in der Nähe einer Großzeche, das war damals die Zeche Zollverein, eine Großkokerei zu bauen. Das ist in die Tat umgesetzt worden. 1961 ist hier die Anlage so, wie Sie sie hier sehen, in Betrieb gegangen mit 8 Ofenbatterien, wobei jede Ofenbatterie 24 einzelne Ofenkammern hatte, insgesamt also 192 einzelne Ofenkammern. Koksproduktion täglich damals: 5.000 Tonnen. Sie sehen daran, das sind Unterschiede: 380 Tonnen dort Kleinanlage, 5.000 Tonnen jetzt. Ja, und dieser Koks wurde natürlich fast ausschließlich benötigt für die Hütten. Das heißt also Hütten Thyssen, Mannesmann, Klöckner usw. Ja, 1970 ist dann die Ruhrkohle gegründet worden. Und in den 70er Jahren hatten wir wieder eine Energiekrise, und auch damals hat die Ruhrkohle gesagt, wir müssen also unseren Koksbedarf erweitern. Unter anderem ist dann hier diese Kokerei Zollverein um zwei weitere Batterien erweitert worden. Zwei größere Batterien mit jeweils 56 Öfen, also es kamen noch einmal 112 Öfen hinzu. Und die Kokerei hatte danach 304 einzelne Ofenkammern, maximale Koksproduktion 8.000 Tonnen pro Tag. Damit war also die Kokerei Zollverein mit Abstand die größte Kokerei in Europa und das für lange, lange Zeit. Später ist zwar in Italien, in Tarantow sind noch mehr Öfen gebaut worden und die Koksproduktion war dann eben etwas höher. Aber für ca. 8 bis 10 Jahre war die Kokerei Zollverein schon die größte Kokereianlage hier in Europa. Zwischenzeitlich sind dann in den Jahren 1978 bis 1987 mehrere Ofenbatterien grunderneuert worden, d.h. das Mauerwerk ist erneuert worden, viele Eisenteile sind erneuert worden, also insgesamt 6 Ofenbatterien sind grunderneuert worden und auf den neuesten Stand gebracht worden, wie es sich damals so ergab. Ja, und mit Beschluss im Februar 93, Beschluss des Vorstandes bzw. des Aufsichtsrates der Ruhrkohle ist dann die Kokerei Zollverein zum 30.6.1993 nach 32 Betriebsjahren stillgelegt worden.

O-Ton TreppensteigenZugegeben, der Aufstieg auf das Dach des alten Kohlemischturms über eine eiserne Außentreppe ist ein wenig mühsam. Auch für Obersteiger Hermann Tappe.

O-Ton: Ein bisschen außer Atem, nicht? – Ja /Lachen. Wir sind hier ungefähr 43 Meter hoch. Im oberen Bereich der Kohlenmischanlage.

Bis hier hinauf transportierten Förderbänder täglich bis zu 16.000 Tonnen Kohle, von den Zechen fein gemahlen, aber in unterschiedlicher Qualität angeliefert. Das Rumpeln der Förderbänder und Kohlebrocken störte die Tauben nicht, die über den Bunkern nisteten.

O-Ton: Die Mitarbeiter, die von ihren Frauen nix Gescheites aufs Brot bekamen, die haben dann hier ihr Brot entsorgt. Die Tauben waren gute Abnehmer. Am 30.6. 1993 da wurden die nun nicht mehr gefüttert und da gingen die hier elendig zugrunde. Die Falken flogen hier rein – die Fenster waren teilweise kaputt – haben sich der Tauben hier bedient.

Es war der bekannte Industriearchitekt Fritz Schupp, der die Kokerei Zollverein entwarf. Er lieferte auch die Entwürfe für die Schachtanlage Zollverein, deren doppelter Förderturm in zweihundert Meter Entfernung in den trüben Himmel ragt, umrahmt von Backsteinbauten, Fachwerk aus Stein und Stahl wie dieses hier. Funktionale Architektur – nüchtern, imposant, monumental. Die Zeche, ebenfalls längst stillgelegt, belieferte die Kokerei mit Kohle. Ein knallhartes Geschäft, wie noch heute ein Backsteinbau in der Mitte zwischen beiden Anlagen verrät – der Wiegeturm.O-Ton: Die Zechenleute, die so genannten Pütologen, die haben die Koker immer beschissen – auf deutsch gesagt. Denn wenn auf den Lieferlisten – sage ich mal – 10.000 Kilo stand, dann haben wir das nachgewogen, und da waren dann meistern nur 9.800, und dann gab es immer diese Diskrepanz, et war immer schlimm. Also, Pütologen und Koker, die konnten sich teilweise nie ausstehen.

O-Ton WindIn luftiger Höhe verbindet ein ummauertes Förderband den Wiegeturm mit einem einem anderen Backsteinkoloss, dem Kohlenbunker. Besonders jetzt im Winter weht auf dessen Dach meist ein scharfer Wind. Weit schweift der Blick über die schier endlos wirkenden Koksöfen – immerhin 800 Meter lang. In den Öfen „backte“ die Kohle, wie der Koker sagt.

koks4layer1O-Ton: Sie nehmen also eine Kohle, die fein aufgemahlen ist, Körnungsverhältnis von 0 bis 10 mm, geben die in eine geschlossene Kammer, in dem Fall in eine Koksofenkammer; diese Koksofenkammer wird erhitzt und die Kohle, die da reinkommt in die Ofenkammer, die verbrennt nicht – warum verbrennt sie nicht, weil diese Ofenkammer luftdicht abgeschlossen ist. Also ganz wichtig: die Kohle, die in die Ofenkammer hinein kommt, muss in einem luftgeschlossenen Raum abgeschottet sein und erfährt indirekt über Heizwände – denn da kommt die Wärme. Sie müssen das vergleichen so ungefähr mit Holzkohle. Die Kohle muss backen. Das ist der gleiche Ausdruck wie zu Hause, wenn Sie einen Kuchen backen wollen; der Koker spricht richtig vom Backen. Der Vorgang ist folgender: Sie geben die Kohle rein, es entsteht eine unwahrscheinliche Entgasung des Rohgases. Die Kohle dehnt sich zum Teil aus, dann schrumpft sie, und bei diesem Schrumpfprozess da backen diese einzelnen Partikelchen Kohle zu Koks zusammen. Das sind dann nachher die Stücke Koks.

„Gebacken“ wurde bei 1050 Grad. Das war nötig, damit sich Ammoniak, Benzol und Teer verflüchtigen und zur „weißen Seite“ hin abgesaugt werden konnten.

O-Ton: Auf der schwarzen Seite, dort, wo sich die Ofenkammern befinden und die Maschinen, ist die Kohle verkokt worden, deswegen heißt sie „schwarze Seite“. Und das anfallende Gas, was dabei produziert wird, das anfallende Gas, das wird dann in einer sogenannten weißen Seite – wir haben immer gesagt: unsere kleine chemische Fabrik – wird dieses Gas gereinigt. Denn bei 8.000 Tonnen Koks fallen ungefähr 3 Millionen 700 Kubikmeter Gas an. Und die Kohle, die kalte Kohle, die in den heißen Ofen kommt, die entwickelt Gase. Diese Gase, das sind Kohlenwasserstoff-Verbindungen. Diese Kohlenwasserstoff-Verbindungen nennt man auch flüchtige Bestandteile. Und die werden also abgesaugt beim Verkokungsprozess und gelangen dann in diese kleine chemische Fabrik, sprich „weiße Seite“, dort wird das Gas dann in einer sogenannten AS-Kreislaufwäsche, wird dieses Gas gereinigt, befreit von Ammoniak, von Schwefelwasserstoff und von Benzol. Zuvor haben wir natürlich aus dem Gas, und das kennen Sie alle, wenn Sie mal früher mit Kohle geheizt haben, dass also teilweise – ich sag mal so teerige Bestandteile sich bildeten; zuvor haben wir natürlich aus dieser Kohle Teer gewonnen. Der Teer wird abgeschieden, wenn er in gasiger Form abgezogen wird, von 90 auf 25 Grad runtergekühlt und dabei fallen dann ungefähr 330 im Tag bei 800.000 Tonnen Koks, 330 Tonnen Teer an. Und das Gas, was gereinigt worden ist, dieses Gas, das diente zu 55 Prozent als Stadtgas für die Ruhrgas AG. Die Ruhrgas AG hat hier auf dem Gelände eine Übergabestelle. Dort wurde das gereinigte Gas hinein gegeben, die Ruhrgas hat das Gas angenommen, in ein Verteilernetz verteilt. Bis 1988/89 hatten ja noch so Städte wie Gelsenkirchen, Lünen und auch Bottrop Stadtgas. Die hatten also kein Erdgas, die hatten keine Erdgasunterfeuerung, sondern die hatten Stadtgas. Und dieses Gas kam also zum größten Teil hier von der Kokerei Zollverein. 45 Prozent haben wir selbst wieder für die Unterfeuerung der Heizwände benötigt. Und das Gas, was gereinigt worden ist dieses Gas, das diente zu 55 Prozent als Stadtgas für die Ruhrgas AG. Die Ruhrgas AG hat hier auf dem Gelände eine Übergabestelle. Dort wurde das gereinigte Gas hinein gegeben, die Ruhrgas hat das Gas angenommen, in ein Verteilernetz verteilt. Bis 1988/89 hatten ja noch so Städte wie Gelsenkirchen, Lünen und auch Bottrop Stadtgas. Die hatten also kein Erdgas, die hatten keine Erdgasunterfeuerung, sondern die hatten Stadtgas. Und dieses Gas kam also zum größten Teil hier von der Kokerei Zollverein.

O-Ton TreppensteigenObersteiger Hermann Tappe hat die Gruppe auf eine stählerne Brücke geführt, die die schwarze mit der weißen Seite verbindet. Darunter ein Wassergraben. Links und rechts ein Gewirr aus Rohren und Stahlträgern. Fotokameras klicken.

O-Ton: Ich bin schon öfter da gewesen und fand das besonders reizvoll, die ganze Anlage auch mal am Abend und in der Nacht zu sehen. Und mit der Führung, das hat sich jetzt mehr oder weniger zufällig ergeben. Phantastisch ist, wenn man hier aufgewachsen ist im Ruhrgebiet. Man hat diese Anlagen in Betrieb gesehen von außen und jetzt mal die Gelegenheit, diese riesigen Flächen still und ruhig hier liegen zu sehen und von innen anzuschauen, das ist schon ein ganz besonderer Reiz. Reporter: Sagen Sie mir Ihren Namen? Volker Rademacher. Ich bin Computer-Spezialist. Groß-Industrieanlagen interessieren mich auch von der fotografischen Seite her. Ich will nachher noch einmal sehen, ob ich noch ein paar Fotos zusammenkriege. Ich habe festgestellt, wenn wir Besuch hatten aus anderen Regionen in Deutschland und sind hier reingegangen und hatten in Verbindung mit der Ausstellung „Sonne, Mond und Sterne“ auch noch die Gelegenheit, die Anlage zu sehen, dass die Leute außerordentlich überrascht und begeistert waren. Das ist schon was Besonderes, was man in Deutschland nirgendwo wiederfindet.

Die Kokerei Zollverein ist in die Stiftung Industriedenkmalpflege und Geschichtskultur aufgenommen worden. Das hat den Abriss verhindert. Inzwischen wurde der Antrag gestellt, Kokerei und Zeche in die Liste des Weltkulturerbes der UNESCO aufzunehmen. Die großindustrielle Anlage wäre dann dem Kölner Dom gleichgestellt. Doch Obersteiger Tappe meldet Zweifel an.

O-Ton: Das mag ja alles schön und gut sein – Welt-Kulturerbe auf einer Stufe mit dem Kölner-Dom, prima. Persönlich halte ich das hier für sehr gut. Besser jedenfalls, als wenn hier alles nur so verrotten würde, nichts gemacht würde. Aber ich kann mir das nicht ganz vorstellen ich glaube nicht, dass man das langfristig halten kann.

O-Ton Treppensteigen

Wie Bücher in einem Regal, schmal und hoch, stehen die 304 Koksöfen nebeneinander. Befüllt wurden sie von oben. Ohne Sicherheitsschuh-werk hätte es den Kokern damals buchstäblich unter den Sohlen ge-brannt. In Kniehöhe wurden noch 50 Grad gemessen. Sobald ein Ofen gefüllt und der Deckel geschlossen war, ließ sich darauf trefflich braten.

O-Ton: Die türkischen Mitarbeiter haben dann ihre Lammkoteletts auf den Füllhorndeckeln heiß gemacht. Alle sieben Wochen hatte der Ober-steiger Tappe Bereitschaft, und dann hieß das immer, Obersteiger kommen hoch, die Koteletts sind gar. Was das Essen anging, da haben sich die Mitarbeiter viel einfallen lassen.

Als Bratspieß nutzten die Koker beispielsweise auch die riesige Maschi-ne, die den glühenden, fertig „gebackenen“ Koks aus den Ofenkammern drückte. Da gab`s einen kleinen Platz hinter der achtzehn Meter langen Druckstange, der reichte für ein in dickes Aluminium verpacktes Hähnchen.

O-Ton: Und jetzt geht die Frage an Sie. 1.050 Grad ist die Ofenkammer heiß, 45 Sekunden braucht die Stange hin, 45 Sekunden zurück, also 90 Sekunden. Ist das Hähnchen gar? Ja oder nein? Oder ist es verbrannt. – Ich kann es Ihnen sagen, wir brauchten also drei Druckvorgänge, dann war das Hähnchen gar. – Einer meinte scherzhaft, das wäre dann eine Marktlücke für schlechte Zeiten. Besucher: Es klingt wirklich so, als sei das hier die größte und heißeste Imbissbude Europas gewesen. Ja, Sie konnten hinkommen, wo Sie wollten, jeder hatte was zu brötscheln.

O-Ton Treppensteigen

Kaum hatte die Druckmaschine eine Ofenkammer geleert, wurde der glühende Koks in eisernen Waggons unter einen hölzernen Turm gefah-ren und mit Wasser gelöscht.

O-Ton:Der tägliche Wasserverbrauch lag ungefähr bei 9.300 Kubikmeter pro Tag.

koks5layer1Eine Kokerei ist also trotz aller Vorbeugemaßnahmen nicht gerade um-weltfreundlich. Staub und Abgase sind fast unvermeidlich. „Dreckschleuder“ heißen die Kokereien deshalb häufig bei der Bevölkerung. Und in Duisburg ist eine solche „Dreckschleuder“ noch in Betrieb. Hier „auf Zollverein“ in Essen sind die Feuer für immer ausgegangen. Gut so, meinen viele jüngere Besucher. Aber auch ältere kommen. Aus dem Münsterland ist Georg Schirmann angereist.

O-Ton: Mich interessiert das sehr, wie so etwas funktioniert. Was hier an Maschinen und Kräften bewegt wurde, das ist schon interessant, auch so etwas aufzubauen, und die Gedanken, die dahinter stecken. Reporter: Haben Sie etwas mit Kohle zu tun? Nein, ich habe nichts mit Kohle zu tun. Ich habe etwas mit Straßenbau zu tun. Und im Straßenbau da sind sehr viele Steiger untergekommen, die damals 1960 bis 1965 bei der Zechenstilllegung keine Arbeit mehr hatten. Ich kenne eine Menge Kollegen – ehemalige Kollegen, muss ich jetzt sagen, die sind alle älter als ich, und von daher habe ich immer zugehört, wenn die erzählt haben, wie rau und wie grob das zuging gegenüber heute. Auch kameradschaftlich, muss man sagen.

Zwei Stunden sind wie im Fluge vergangen. Und die Kälte war fast vergessen.

O-Ton Nießen

Die kleine Gruppe löst sich auf. Auch Obersteiger Hermann Tappe hat es eilig, zum Ausgangspunkt zurückzukommen.

O-Ton: Können wir runtergehen? ….. warten. /Lachen

O-Ton Treppensteigen

Hermann Tappe war sein Leben lang ein begeisterter Koker. Das Ange-bot der „Stiftung Industriedenkmalpflege und Geschichtskultur“, sein Wissen über die Kokereitechnik als eine Art Museumsführer weiterzugeben, kam ihm im Vorruhestand gerade recht.

O-Ton: Ich war mein Leben lang gerne Koker. Viele Leute haben gesagt, Koker is a monkey-business, aber das ist nicht so meine Devise gewesen. Ich hätte auch gerne noch länger gearbeitet, aber mit 55 spätestens muss man in die Anpassung, und das war bei mir der Fall, da gab es also nichts. Die IBA hat sehr spät gesehen, dass viele Leute sind, die diese technische Führung gerne machen wollten. Ja, und da ist man an die ehemaligen Koker, z.B. an mich herangetreten. Ich habe gesagt, ok, das machen wir. Und da gibt es eine Reihe von Mitarbeitern von der ehemaligen Kokerei Steiger, Meister, die das auch hier durchziehen. Ich werde in jedem Fall erst mal weiter machen, weil es mir Spaß macht. Viele Lehrer, die hier waren, haben wirklich intensiv gefragt, und man kam teilweise mit zwei Stunden nicht aus. Für mich persönlich ist immer schön, wenn eine Führung länger als zwei Stunden dauert, als wenn da eine Gruppe kommt, die sagt, wir haben nur eine Stunde Zeit. Da bin ich nicht so von begeistert.

Internet-Zusatzinformationen:

Führungen können gebucht werden bei der Stiftung Industriedenkmalpflege und Geschichtskultur,Emscherallee 11, 44369 Dortmund, Tel. 0231/93 11 22-0, Fax 0231/93 1122-10, e-mail: industriedenkmalpflege@t-online.de

„Sonne, Mond und Sterne“: Ausstellung ab Mai 2000 wiederholt

Pressetext des Veranstalters:

koks6layer1Rund 220 000 Besucher ließen sich im letzten Jahr von einer eindrucksvollen Ausstellung an einem ungewöhnlichen Ort gefangen nehmen: In der Sommersaison 1999 wurde mit der Kokerei Zollverein in Essen erstmals das gigantische Industriedenkmal für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Die alten Kohlebunker, die Bandbrücken und Koksöfen waren Inspirationsmasse für die Ausstellung „Sonne, Mond und Sterne“ zur Kultur und Natur der Energie. Vom 1. Mai bis zum 3. Oktober 2000 wird die Ausstellung ein zweites Mal gezeigt.

Die positive Resonanz auf die Ausstellung machte den Beteiligten Mut. Nach der Schließung der Ausstellung mit Beginn der kalten Jahreszeit 1999 wird „Sonne, Mond und Sterne“ im Mai wieder zu sehen sein. Zur Zeit laufen die Vorbereitungen. Der Parcours durch die Anlage wird verbessert, das Cafe ausgebaut. Die wertvollsten Stücke der Ausstellung werden im April zurückerwartet. Die nicht zu heizenden Bunkerräume wären zur Zwischenlagerung nicht geeignet gewesen.

Die Idee Der Ort ist Programm- Die alte Kokerei, einst eine der größten Energie-Umwandlungsmaschinen des Ruhrgebiets, ist bauliche Hülle und Teil der Ausstellung zugleich. „Sonne, Mond und Sterne“ erzählt das Märchen von der Kohle als Energieträger, der vor dreihundert Millionen Jahren durch die Sonne entstand, durch den Bergbau im Ruhrgebiet wieder ans Tageslicht gebracht und in Energie verwandelt wurde.

Der Schauplatz von „Sonne, Mond und Sterne“ ist damit Teil des großen Themenkomplexes rund um das zentrale Energiegestirn, die Sonne. Sie ist primäre Quelle aller Energie. Ihre Wege werden nicht auf ungewöhnliche Weise – in physikalischer und chemischer Hinsicht -nachgezeichnet. Vielmehr werden Mythen und Märchen, die kulturelle und historische Dimension der Sonne, skizziert.

Bis hin zur Gegenwart: Denn heute neigt sich das Kohlezeitalter dem Ende entgegen. Der energetische Kredit von der Sonne in Form der Kohle ist verbraucht, die Suche nach neuen Energieformen hat begonnen.

Die Ausstellung

Spektakulär ist schon der Beginn der Ausstellung: Mit einer seilbetriebenen Bahn über eine der alten steilen Bandbrücken werden die Besucher ans Licht, „zur Sonne“ gebracht: Sie landen auf dem 35 Meter hoch liegenden Dach des alten Kohlebunkers und begegnen hier zum einen einem phantastischen Rundblick über die gesamte Anlage, zum anderen der Objektwelt der Kulturgeschichte rund um die Gestirne. Gezeigt wird, wie sich Assoziationen und Träume, Mythen und Märchen, Denken und Darstellen der Menschen auf Planeten als Träger unversiegbarer Energie beziehen. Bühnenbilder, Architekturentwürfe, Skulpturen, Kinderbücher und Kunstwerke zeugen von dem Eintrag der Gestirne in die Kulturtradition.

Der Parcours führt den Besucher hautnah an die Vergangenheit des Ortes heran: Direkt durch die senkrecht angeordneten Trichterbunker leitet er in ihr Inneres und vollzieht den Weg von der geistigen Ebene hin zu den ersten Versuchen, die Gestirne wissenschaftlich zu erfassen. Astronomische Instrumente, Himmelsmodelle und planetarische Uhren gehören dazu. Alte Karten und Globen bis hin zu den neuesten NASA-Aufnahmen erzählen die Geschichte der Sicht des Blauen Planeten und seiner Ausrichtung auf die Sonne als Lebensspenderin.

Der nächste Schritt der Ausstellung greift daher das Naturphänomen der Photosynthese auf: Das Video-Blütenmeer versinnbildlicht die in Pflanzen und damit Lebensmitteln gespeicherte Sonnenenergie. Hier blickt die Ausstellung in alle Winkel der Nahrungs- und Energieketten, thematisiert Sonnenenergie vor der Energiegewinnung durch Wasser- und Windkraft und leitet über zur Dampfmaschine. Ihr Treibstoff war fossilierte Pflanzenmasse: Kohle, die das Ruhrgebiet zu einer Industrieregion wandelte. Die industrielle Zivilisation mit ihren Netzwerken, Massenerscheinungen und Konsequenzen wie sie das Ruhrgebiet prägte, findet gleichermaßen Darstellung.

Damit ist der Ortsbezug des Themas hergestellt. Der Ort – die alte Kokerei – läßt sich unverstellt in einem Parcours erleben. Mit einem „Sonnenrad“ kann der Besucher vom Kokerei-Dach aus in die Tiefen der Koksbatterien eintauchen. Er kann sich noch weiter in die Tiefe bewegen, indem er über einen unterirdischen Tunnel in einen der Schornsteine gelangt. Von hier aus hat er einen atemberaubenden Blick in den Himmel, das Licht, die Sonne. Die „Allee des Feuers“ quer durch die Koksöfen führt an einen Ort, der noch bis zur Stillegung der Kokerei im Jahr 1993 auf 1300 Grad zum „Backen“ des Kokses erhitzt wurde.

Auf dem Dach der Kokerei wird der Besucher mit einer letzten Botschaft aus der Ausstellung entlassen: Hier wächst unter Spendenbeteiligung ein Solarkraftwerk – als Vision für den zukünftigen Umgang mit der Sonnenenergie auch im Ruhrgebiet. Jeder Besucher kann durch die Spende von einem oder mehreren „Watt“ dazu beitragen, daß das Solarkraftwerk, angelehnt an die Architektur der Kokerei, wächst.

Der Ort:

koks7layer1Fast einen Kilometer lang ist die gewaltige Anlage, die zwischen 1957 und 1961 in unmittelbarer Nähe der Zeche Zollverein gebaut wurde. Als modernste Anlage Europas wurde hier die Kohle, die in der Zeche gefördert wurde, zu Koks weiterverarbeitet. In 304 Koksöfen wurde dieser wichtige Grundstoff für die Roheisenproduktion hergestellt. Weithin sichtbare Wahrzeichen sind sechs Schornsteine in einer Reihe – bis zu 96 Meter hoch.

Die Anlage wurde von dem renommierten Industrie-Architekten Fritz Schupp gebaut. Mit ihrer gradlinigen Architektur entspricht sie dem Stil der Neuen Sachlichkeit. Aus den Federn von Fritz Schupp und Martin Kremmer stammen auch die Architekturentwürfe der Zeche Zollverein, die zwischen 1928 und

1932 entstand. Beide Anlagen zusammen bilden ein einmaliges industriehistorisches Ensemble.

Besondere Faszination strahlt die Kokerei mit Beginn der Dämmerung aus: In ein sattes dunkelrotes Licht getaucht, ist sie eine der künstlerisch gestalteten Landmarken in der Ruhrgebietslandschaft der Gegenwart. Die Lichtdesigner Speirs & Major (London) haben das Beleuchtungskonzept entworfen.

Weitere Informationen:

Öffnungszeiten: 1.Mai bis 3. Oktober 2000, täglich von 10 bis 20 Uhr, montags geschlossen, freitags und samstags bis 24 Uhr

Preise: Erwachsene 12,- DM Kinder unter 6 Jahren gratis Eintritt ermäßigt und Kinder bis 14 Jahren: 6,- DM Familien: 24,- DM

Führungen nach Vereinbarung unter 0201/ 830 90 90

Veranstalter: Stiftung Industriedenkmalpflege und Geschichtskultur, Kokerei Hansa, Emscherallee 11, Dortmund, Tel. – 02317 931 12 20. Gefördert durch das Land Nordrhein Westfalen

Konzeption und Realisation: Feuer und Flamme Ausstellungsgesellschaft mbH, Essener Str. 5, Oberhausen

Koordinaten Adresse: Arendahls Wiese, Essen Infotelefon- 0201/ 830 90 90

Kontakt für Journalisten: Für weitere Informationen, Vermittlung von Gesprächspartnern oder Besuche vor Ort steht Ihnen die Pressestelle (Anette Kolkau) zur Verfügung. Tel.: 0201/ 830 90 90