Kohlesubventionen über das Jahr 2005 hinaus?

Die öffentlichen Kohlesubventionen in Deutschland müssen ab 2002 im EU-Vertrag europarechtlich abgesichert werden. In Deutschland sichert der Kohlekompromiss von 1997 diese Subventionen bis zum Jahre 2005. Aber was ist dann? Auch hierüber muss verhandelt werden. Und auch hier ist mit einem zähen Ringen zu rechnen.

Gesendet am Mittwoch, 29.12.1999, in „Westblick“ zwischen 17.05 und 18 Uhr

Von Lothar Kaiser

Dass die teure deutsche Steinkohle zu niedrigeren Weltmarktpreisen verkauft werden kann, verdankt sie den Subventionen der öffentlichen Hand, also dem Steuerzahler. Zwischen 1997 und 2005 summiert sich das auf fast 70 Milliarden Mark. 70.000 Millionen. Gerüchte, angesichts der positiven Entwicklung des Essener Kohlekonzerns RAG wolle die Bundesregierung die Beihilfen vorzeitig beenden, erwiesen sich in diesem Jahr, wie der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Wolfgang Clement bereits im April feststellte, als „völlig aus der Luft gegriffen“. Statt dessen forderte Bundeswirtschaftsminister Werner Müller im Juli von der RAG einen freiwilligen Verzicht auf einen Teil der Subventionen.

Von den zugesagten und im Bundeshaushalt des Jahres 2000 aufzubringenden acht Milliarden Mark benötige er 600 Millionen an Beihilfen für Werften und Luftfahrtindustrie. In direkten Gesprächen mit dem RAG-Konzern ging es sodann um die Frage, ob vertraglich für das Jahr 2000 vereinbarte Beihilfen ein Jahr später gezahlt werden könnten und ob der Bergbau in der Vergangenheit nicht mehr Bilanzhilfen bei Bergbauschäden erhalten habe, als dafür tatsächlich hätten aufgewendet werden müssen.

Bundeswirtschaftsminister Werner Müller zum Ergebnis dieser Gespräche:

O-Ton: Ich bin der RAG und insbesondere auch der IG BCE dankbar, dass wirLösungen für einen Beitrag der Kohle zur schwierigen Konsolidierung des Bundeshaushalts 2000 gefunden haben. Ohne diese Maßnahmen wären ansonsten tiefe Einschnitte bei anderen, für viele andere Unternehmen wichtigen Haushaltspositionen die Folge gewesen.

Was war konkret vereinbart worden? Der Bund zahlt 250 Millionen Mark ein Jahr später aus. Und die RAG zahlt 250 Millionen Mark an Beihilfen für Bergschäden an den Bund zurück. Der Bundeswirtschaftsminister hat damit sein Ziel erreicht, im Bundeshaushalt 500 Millionen Mark einzusparen.

Noch offen ist die Frage, ob und wie der deutsche Steinkohlebergbau in den Jahren nach 2005 am Leben erhalten werden soll.

Sobald die Verhandlungen in Brüssel über eine europarechtliche Absicherung von Kohle-Subventionen erfolgreich abgeschlossen seien, betont der nordrhein-westfälische Wirtschaftsminister Peer Steinbrück,….

O-Ton: … müssen wir uns rechtzeitig über eine Anschlussregelung für die Zeit nach 2005 verständigen.

Denn dass der Steinkohlebergbau in Nordrhein-Westfalen 2005 nicht auslaufen wird, ist für Ministerpräsident Wolfgang Clement klar:

O-Ton: Wir müssen davon ausgehen, dass wir über 2005 hinaus nicht bei 5 Milliarden bleiben werden, sondern dass die Kurve abflacht. Aber wir wollen, dass es, wenn auch auf niedrigem Sockel, einen lebendigen Steinkohlebergbau in Nordrhein-Westfalen, in Deutschland auch in Zukunft, auch über das Jahr 2005 hinaus gibt.

Soweit Clement vor Bergleuten in Gelsenkirchen. Wilhelm Beermann, der Vorstandsvorsitzender der RAG-Tochtergesellschaft Deutsche Steinkohle AG in Herne, zeigt sich jedenfalls …

O-Ton: … guten Mutes, dass wir eine solche Anschlussregelung bekommen, die uns in die Lage versetzt, den nationalen Bergbau als ein wesentliches Versorgungselement der deutschen Wirtschaft weiter gestalten und finanziell fördern zu können.

In den zehn Steinkohlebergwerken, die es im Jahre 2005 in Deutschland noch geben wird, hält der RAG-Konzern in den Folgejahren die Förderung von etwa 30 Millionen Jahrestonnen Steinkohle für sinnvoll. Denn sollten künftige Generationen eines Tages neue Kohlelagerstätten erschließen wollen, müssten bestehende Bergwerke mit ihrer erprobten Technik die Ausgangsposition hierfür bieten. Immerhin dauert es zwölf Jahre, bis in einem Bergwerk zum ersten Mal Kohle abgebaut werden kann. NRW-Wirtschaftsminister Peer Steinbrück:

O-Ton: Wir werden noch lange nicht auf den Einsatz fossiler Energieträger verzichten können. Die RAG geht auch künftig von einem jährlichen Verbrauch von etwa 70 Millionen Tonnen Steinkohle in Deutschland aus, für Kraftwerke und Stahlindustrie gleichermaßen.

Auch deshalb werde Kohle in einem rohstoffarmen Land wie Deutschland, dass außer Braun- und Steinkohle keine nennenswerten Energiereserven besitze, auch weiterhin eine Zukunft haben. Man denke nur an die Ölkrise vor 15 Jahren. Und daran, dass viele Rohstoffvorkommen in internationalen Krisengebieten liegen. Der deutsche Bergbau brauche aus diesem Grunde, wenngleich geschrumpft, den Fortbestand, betont denn auch Peer Steinbrück:

O-Ton: Zur Begrenzung energiewirtschaftlicher Abhängigkeit ist die Nutzung unserer größten Energiereserve, der heimischen Steinkohle, auch in Zukunft unverzichtbar. Man muss aber wissen: Nach wie vor über 50% der deutschen Stromerzeugung beruht auf Kohle und hier mehrheitlich auf Steinkohle.

Doch inzwischen mehren sich die Stimmen, die den RAG-Konzern zu einer größeren Eigenleistung bei der Stützung der deutschen Steinkohle auffordern.