EGKS-Vertrag steht in Brüssel zur Diskussion

Die europäische Gemeinschaft spielt eine wichtige Rolle bei den deutschen Kohlesubventionen. Die sind bis zum Jahre 2005 gesichert, auf europäischer Ebene allerdings nur bis zum Jahre 2002. Was danach geschieht, ist unklar und muss erst noch verhandelt werden. Denn im Jahre 2002 läuft der sogenannte EGKS-Vertrag aus.

Gesendet am Dienstag, 28.12.1999, in „Westblick“ zwischen 17.05 und 18 Uhr

Von Lothar Kaiser

EGKS steht für den Vertrag der „Europäischen Gemeinde für Kohle und Stahl“ aus den 50er Jahren. Dieser Vertrag gilt als die Urzelle der Europäischen Union und sichert derzeit noch die Beihilfeprivilegien der Kohle- und Stahlindustrie europarechtlich ab. Doch in zwei Jahren läuft er aus. Dann unterliegen sämtliche Beihilferegelungen für Kohle und Stahl den allgemeinen Vorschriften des EU-Vertrages. Und der ist weit weniger subventionsfreundlich.

Die Verhandlung über eine künftige Absicherung der Kohlesub-ventionen im Rahmen des EU-Vertrages soll im kommenden Jahr beginnen. Wilhelm Beermann, der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Steinkohle AG in Herne, hofft dabei auf die Durchsetzungskraft deutscher Politiker:

O-Ton: Dies wird sicherlich nicht einfach, aber es ist – entgegen manchen Behauptungen – kein grundsätzliches rechtliches Problem, sondern im Wesentlichen eine Frage der politischen Entscheidung und Durchsetzung.

Die deutschen Verhandlungsführer müssen in Brüssel noch erhebliche Überzeugungsarbeit leisten. Denn Teilen der Europäischen Gemeinschaft, darunter Großbritannien, sind die hohen deutschen Kohle-Subventionen schon lange ein Dorn im Auge. Der britische Kohleproduzent RGB klagte gleich mehrfach dagegen vor dem Europäischen Gerichtshof mit der Begründung, die Kohlebeihilfen seien von der EU regelwidrig erst im Nachhinein genehmigt worden. Und ohnehin bestehe keine Aussicht, dass die deutsche Steinkohle jemals wieder wettbewerbsfähig werden könnte. Zwei Klagen wurden abschlägig beschieden. Doch über zwei weitere hat der Europäische Gerichtshof noch zu entscheiden. Könnte von dieser Seite Unheil dräuen? Bundeswirtschaftsminister Werner Müller bezweifelt das:

O-Ton: Am 9. September hat das Europäische Gericht klargestellt, dass die Kohlehilfen in Deutschland in voller Übereinstimmung mit den geltenden EGKS-Beihilferegeln gewährt werden. Wir sind zuversichtlich, dass das Gericht auch die weiteren anhängigen Klagen gegen die Hilfen 1998 und 1999 zu unseren Gunsten entscheiden wird.

Erste Verhandlungen auf EU-Ebene hätten bereits stattgefunden, berichtete Ende November NRW-Ministerpräsident Wolfgang Clement vor Bergleuten. Aber:

O-Ton: Wir können noch nicht übersehen, ob die Europäische Kommission, die Europäische Union einstimmig sich dafür entscheidet, diese Finanzierungsvereinbarung zur Verfügung zu stellen oder nicht. Um es klar zu sagen, sollte Großbritannien bei seiner jetzigen Haltung bleiben, werden wir mit allen Mitteln versuchen, eine solche Regelung mit Mehrheit, mit der Mehrheit der Stimmen der Länder der Europäischen Union durchzusetzen. Wir haben gute und kräftige Bündnispartner, die uns dabei unterstützen.

Unterstützung erhofft sich Clement vor allem von Spanien und Frankreich. Am Entscheidungsprozess in Brüssel wirkt der RAG-Konzern als Lobbyist mit, vertreten durch DSK-Chef Wilhelm Beermann. Erste Überzeugungsarbeit leistete er inzwischen in einem Gespräch mit der neuen, für Energiefragen zuständigen Kommissarin Lovola de Palacio. Danach äußerte er sich vorsichtig zuversichtlich:

O-Ton: Frau de Palacio stammt selbst aus einem Land, in dem Steinkohlenbergbau betrieben wird. Ich glaube, sie hat ein Gefühl für die Situation, aber es wird nicht ganz einfach sein, die Bundesregierung muss auch hier mit an die Front. Wir werden das entsprechend begleiten.

Die Grundlage für die anstehenden Verhandlungen auf EU-Ebene dürfte ein Positionspapier bilden, das die Landesregierung, der RAG-Konzern und die Gewerkschaft IGBCE erarbeitet und das sie Bundeswirtschaftsminister Werner Müller vorgelegt haben.

Die nordrhein-westfälische Landesregierung hofft auf eine baldige Nachfolgeregelung für den EGKS-Vertrag. Denn sonst würden die deutschen Steinkohlebeihilfen zwischen 2003 und 2005 europarechtlich nicht abgesichert sein, stünde der deutsche Steinkohlebergbau womöglich abrupt vor dem Aus. NRW-Wirtschaftsminister Peer Steinbrück

O-Ton: Wir erwarten von der Bundesregierung, dass sie die Fortsetzung des EGKS Beihilfe-Kodex für Kohlehilfen ab 2002 im Rahmen des EU-Vertrages in Brüssel durchsetzt. Die Landesregierung wird sie mit allen Kräften, die wir haben, unterstützen.

Internet-Zusatzinformation:

Der RAG-Chef setzt auf eine möglichst frühzeitige Entscheidung in der nationalen Kohlepolitik für die Zeit nach 2005, wenn der im Jáhr 1977 vereinbarte Kohlekompromiss ausläuft. Eine Entscheidung über die Zukunft der heimischen Kohle sei nicht nur für die RAG, sondern auch für eine sichere Energieversorgung in Deutschland von existentieller Bedeutung. Starzacher wörtlich: ‚Die deutsche Volkswirtschaft kann sich keine Hängepartie in der Energiepolitikeisten.‘

Angesichts des politisch angestrebten Ausstiegs aus der Kernenergie und der daraus entstehenden Versorgungslücke brauche Deutschland möglichst schnell Klarheit über den Energie-Mix der Zukunft. Vor diesem Hintergrund gebe es überzeugende Gründe, in Deutschland weiterhin langfristig Steinkohlenbergbau zu betreiben, sagte Starzacher. Wir sollten den Zugang zu dem – neben der Braunkohle – in Deutschland einzigen nennenswert verfügbaren Energieträger Steinkohle im Sinne der Versorgungssicherheit auch künftigen Generationen offen halten‘, so der RAG-Chef.

Die RAG sei gefordert, die öffentlichen Hilfen so effizient wie möglich einzusetzen, um einen optimalen Absatz erzielen und Arbeitsplätze sichern zu können. Die hierfür erforderlichen Investitionen benötigten eine lange Vorlaufzeit.‘ Deshalb braucht der deutsche Steinkohlenbergbau rechtzeitig verlässliche und belastbare Perspektiven über 2005 hinaus – und zwar nicht nur von einem Jahr auf das andere, forderte Starzacher.

(Aus einer Pressemitteilung der RAG Aktiengesellschaft, Essen, vom 21. März 2000)