Bibliothek des Ruhrgebiets

Für knapp achtzehn Millionen Mark ist in der Ruhrgebietsstadt Bochum die neue „Bibliothek des Ruhrgebiets“ entstanden. Eine halbe Million Bücher macht sie zu einer der größten Fachbibliotheken der Bundesrepublik. Mit einem Festakt und dem nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Wolfgang Clement als Festredner wurde sie am 26.11.99 eingeweiht.

Gesendet am Freitag, 26.11.99, 15.48 Uhr, auf WDR 2, „Zwischen Rhein und Weser“

Von Lothar Kaiser

Mit einem Festakt und dem nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Wolfgang Clement als Festredner wurde am 26.11.99 „mitten im Westen“, in der Ruhrgebietsstadt Bochum, eine Einrichtung ihrer Bestimmung übergeben, die ihres gleichen sucht. Und das nicht nur wegen der knapp 18 Millionen Mark, die hier aus verschiedenen Quellen zusammengeflossen sind. Die neue „Bibliothek des Ruhrgebiets“ zählt mit einem Bestand von einer halben Million Büchern zu den größten Fachbibliotheken der Bundesrepublik. Anlaufstelle Nr. 1 vor allem für Studenten und Wissenschaftler, die sich für Arbeiterbewegungen, Bergbau oder die Geschichte des Ruhrgebiets intererssieren. Unter den Stiftungsmitgliedern ist auch der RAG-Konzern. Und dessen stellvertretender Vorsitzender Wilhelm Beermann übernahm den Vorsitz des Kuratoriums.

O-Ton: Diese Bibliothek ist wahrlich ein Schatz des Reviers, der in eindrucksvoller Weise ein Stück Zeitgeschichte dokumentiert.

Wie keine andere in Deutschland besitzt Bochums neue Bibliothek ein geballtes Wissen über die Geschichte der Arbeiterbewegung, des Bergbaus, der Bergbautechnik und des Ruhrgebiets ganz allgemein. Oberbürgermeister Ernst Otter Stüber spricht denn auch von einem Highlight für Stadt und Region:

O-Ton: Ein Highlight deswegen, weil diese Bibliothek in ihrer Bedeutung sicher einzigartig ist einerseits im Bereich der Sozialgeschichte, aber insbesondere für den gesamten Bereich der Montanwissenschaft. Nicht nur für Wissenschaftler, sondern sicher auch für Interessierte aus der Region und darüber hinaus ein tolles Angebot.

Zu öffentlichen Veranstaltungen wie zum Beispiel im nächsten Jahr der 9. Internationale Bergmannstag kommen wissenschaftliche Vorlesungen, Seminare und Forschungsprojekte, speziell zur Gewerkschaftsgeschichte. Das alles war dem Land Nordrhein-Westfalen für Erwerb, Umbau und Erstausstattung des 46 Jahre alten Gewerkschaftsgebäudes sieben Millionen Mark wert. Die Universität trägt künftig die Unterhaltskosten. Ideale Bedingungen also für Lernende und Lehrende. Der Stiftungsvorsitzende und Institutsleiter Professor Dr. Klaus Tenfelde:

O-Ton: Das ist eine Bibliothek mit Preziosen sondergleichen, z.B. „Agricola dore de Metallici“ aus dem 16. Jahrhundert. Ein koloriertes Handexemplar, davon gibt es insgesamt nur fünf. Zum anderen ein Archiv, das Gewerkschafts- und Mitbestimmungsarchiv sein soll.

Für den Essener RAG-Konzern, früher Ruhrkohle, war es fast eine Selbstverständlichkeit, der Stiftung beizutreten. Schließlich ist der Kohle-Konzern am Strukturwandel im Revier vielfältig beteiligt – als Betroffener und Mitgestalter gleichermaßen. Die große Bergbau-Bücherei der DMT weiß er nun in Bochum gut aufgehoben. Aber was ist mit der Geschichte der Stahlindustrie im Ruhrgebiet? An sie denkt der Kuratoriumsvorsitzende Wilhelm Beermann an erster Stelle, wenn er sagt:

O-Ton: Sicherlich gibt es noch weitere Unternehmen im Ruhrgebiet, die ebenfalls eine traditionsreiche Geschichte haben und auch über den einen oder anderen Bücherschatz verfügen. Ich glaube, die Stiftung ist gerne bereit, solche Unternehmen aufzunehmen und deren Bücherbestand für die Zukunft zu sichern.“

Den Anfang machte übrigens die Essener Krupp-Stiftung über eine gezielte Projektförderung. Sie sorgt dafür, dass künftig alle 500.000 Titel der neuen Bibliothek per Internet verfügbar sind. Ersatz für viele abgegriffene Katalogkästen.

MoDERATOR: WDR2-Bücherwurm Lothar Kaiser über die neue „Bibliothek des Ruhrgebiets“

Kurzfassung für WDR 2 Nachrichtenmagazin:

Für knapp achtzehn Millionen Mark ist in der Ruhrgebietsstadt Bochum die neue „Bibliothek des Ruhrgebiets“ entstanden. Eine halbe Million Bücher macht sie zu einer der größten Fachbibliotheken der Bundesrepublik. Mit einem Festakt und dem nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Wolfgang Clement als Festredner wird sie heute um 18 Uhr eingeweiht. Lothar Kaiser:

Wer sich für Arbeiterbewegungen, Bergbau oder die Geschichte des Ruhrgebiets interessiert, hat in der neuen „Bibliothek des Ruhrgebiets“ eine ideale Anlaufstelle. Sie war dem Land Nordrhein-Westfalen sieben Millionen Mark wert für Erwerb, Umbau und Neuausstattung eines alten Gewerkschaftsgebäudes in der Bochumer Innenstadt. Dort befindet sich jetzt die 140.000 Bücher des „Institut für soziale Bewegungen“ der Ruhr-Universität Bochum. Weitere 360.000 Bücher kamen von der Deutschen Montan-Technologie-GmbH für Lehre und Bildung in Essen und der früheren Bergwerkgewerkschaft. Der Biliotheksstiftung gehören unter anderen der RAG-Konzern und die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie an. Letztere brachte in die Stiftung 1,6 Millionen Mark ein, neun Millionen die DMT.

Internet-Zusatzinformation:

Die Idee zu dieser Bibliothek entstand aus einer Verlegenheit heraus. Als die Industriegewerkschaft Bergbau und Energie mit der IG Chemie fusionierte und Hamburg Sitz der neuen IGBCE wurde, musste für das Gebäude des gewerkschaftseigenen Berg-Verlages in Bochum – dort war bis dahin die Zeitschrift „Einheit“ verlegt worden – ein neuer, sinnvoller Nutzungsweck gefunden werden. Zum gleichen Zeitpunkt waren das „Institut für soziale Bewegungen“ und das „Zentrum für interdisziplinäre Ruhrgebietsforschung“ der Ruhr-Universität Bochum auf der Suche nach neuen Räumen für 140 000 Bücher.

Thematisch passten hierzu sehr gut die Buchbestände, die die frühere Bergbaugewerkschaft in Bochum und die Deutsche Montan-Technologie-GmbH für Lehre und Bildung (DMT) in Essen im Laufe vieler Jahre an Gewerkschafts- und Bergbauliteratur zusammengetragen hatten. Insgesamt 360.000 Bände. Warum also nicht zusammenlegen, was ohnehin zusammengehört?

Gesagt, getan. Eine Stiftung wurde gegründet. Die Stadt Bochum brachte sich hier mit einem städtischen Archivar ein. Die Gehälter der übrigen siebzehn Mitarbeiter zahlt die Stiftung aus den Zinsen ihres Vermögens. Davon stammen neun Millionen von der DMT und 1,6 Millionen von der IGBCE in Hamburg.