Liebäugelt RWE AG auch mit dem RAG-Konzern?

Man musste kein Hellseher sein um vorauszusagen, dass die im Oktober 1999 angekündigte Fusion der beiden Energiekonzerne RWE in Essen und VEW im benachbarten Dortmund auf der Aktionärsversammlung der RWE am 18.11.1999 in der Essener Grugahalle das Thema Nr. 1 sein würde – obwohl es für Beschlüsse noch zu früh war: Das letzte Wort über die Fusion werden die Aktionäre beider Konzerne erst in den Hauptversammlungen im Sommer nächsten Jahres haben. Über das Umtauschverhältnis der Aktien entscheidet bis dahin die Gutachten zweier Wirtschaftsprüfungsunternehmen, die – auf der Grundlage von Umsatz, Börsenwert und Mitarbeiterzahl – die Geschäftswerte beider Unternehmen feststellen sollen. Das Umtauschverhältnis von VEW- in RWE-Aktien dürfte bei 4:1 oder gar 5:1 liegen. Stimmen die Aktionäre dem im nächsten Jahr zu, kann die Verschmelzung rückwirkend zum 1.1.2000 wirksam werden. Durch sie entstünde ein Konzern mit 170.000 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von 86 Milliarden Mark. Und weitere Verflechtungen sind nicht ausgeschlossen. Etwa mit dem Essener RAG-Konzern.

Gesendet am Donnerstag, 18. November 1999,8.35 Uhr im „Morgenecho“ auf WDR 5

Von Lothar Kaiser

Der Zeitpunkt für die Partnersuche ist aus Sicht von VEW und RWE klug gewählt. Wer auf den Preisverfall bei Strom nicht mit Kostenreduzierung reagieren kann, um wettbewerbsfähig zu bleiben, bleibt letztlich auf der Strecke.

Bundeswirtschaftsminister Werner Müller drückte es auf dem jüngsten Steinkohletag in Essen so aus: Wer sich nicht fit mache auf den Energiemärkten, den bestrafe der Kunde.

Dieses Schicksal hätte der VEW gedroht. Die VEW kann ohne starken Partner im härter werdenden Konkurrenzkampf auf dem Strommarkt nicht bestehen. Doch auch die RWE ist zur Größe verdammt. Denn Einsparen lässt sich nur in großen Organisationseinheiten, etwa in der Verwaltung und im Vertrieb. Der Kostenvorteil, der sich daraus für den neuen Konzern ergeben würde, wird mit 1,5 Milliarden Mark beziffert.

Die Fusion mit der VEW würde dem RWE-Konzern europaweit eine Spitzenstellung unter den Energieversorgern sichern. Kritisch hat sich inzwischen jedoch das Bundeskartellamt zur neuen Marktmacht an der Ruhr geäußert. Voraussetzung für eine Genehmigung der Fusion sei nicht nur die diskriminierungsfreie Durchleitung von Fremdstrom durch das eigene Netz, sondern auch der Rückzug der RWE aus den neuen Bundesländern.

Derzeit ist auf dem deutschen Energiemarkt noch jeder mit jedem verbandelt. Schon jetzt besitzt die RWE zehn Prozent der VEW-Aktien. Und sie besitzt ein Vorkaufsrecht auf das 20prozentige Aktienpaket, das der Wettbewerber VIAG/Bayernwerk an der VEW hält und das womöglich im Zuge Fusion mit der VEBA auf Druck des Kartellamtes verkaufen werden muss. Das wären dann 30prozentiger RWE-Anteil an der VEW, 40 Prozent mit dem VEW-Aktien, die die Westdeutsche Landesbank besitzt. Mehr als 50 Prozent wären es gar, wenn man bedenkt, dass viele finanzschwache Kommunen ihre VEW-Anteile gerne gegen gutes Geld verkaufen würden. Denkbar und rechnerisch möglich wäre also auch eine feindliche Übernahme der VEW durch die RWE gewesen. Siehe Vodefone – Mannesmann. Eleganter ist jedoch die Verschmelzung. Die amerikanische Sitte der feindlichen Übernahme ist unter deutschen Managern nach wie vor verpönt.

Die angekündigte Fusion von VEW und RWE hat Spekulationen neue Nahrung gegeben, der Essener RAG-Konzern (vormals Ruhrkohle AG) solle zerschlagen werden. Sobald die RWE nach der Fusion mit der VEW über deren 30prozentiges Aktienpaket bei der RAG verfügt, könnte sie auf die Idee kommen, die RAG-Tochter Deutsche Steinkohle AG und die RWE-Tochter Rheinbraun zusammenzuführen. Damit entstünde dann der größte Produzent von Stein- und Braunkohle weltweit.

Vorstellbar wäre aber auch lediglich eine Verschmelzung der amerikanischen Kohle-Töchter. Über Rheinbraun besitzt die RWE die Aktienmehrheit an dem amerikanischen Kohleproduzenten Consol. Der RAG-Konzern übernahm in diesem Jahr für zwei Milliarden Mark Die neun Kohlegruben von Cyprus Amax. Beide fördern damit fast 140 Millionen Tonnen Steinkohle, 100 Millionen weniger als alle deutschen Zechen zusammen.

NRW-Ministerpräsident Wolfgang Clement antwortete im vorigen Monat auf die Frage nach einer möglichen Steinkohle-Fusion bei RWE und RAG nur ausweichend: Er setze darauf, dass die richtigen Schritte zum richtigen Zeitpunkt getan würden.

Internet-Zusatzinformation:

Kaufangebot zurückgezogen

Der Energieversorger RWE ist an dem vom Land Baden-Württemberg angebotenen Aktienpaket von 34 Prozent an der Energieversorgung Baden-Württemberg (EnBW) nicht länger interessiert. Auf der Aktionärsversammlung in Essen begründete Konzernchef Dietmar Kuhnt den Rückzug des Kaufangebotes heute mit dem zu hohen Kaufpreis und den „nur begrenzten Möglichkeiten» einer Kooperation zwischen EnBW und RWE.

Dietmar Kuhnt reagierte damit auf die gestrige Nachricht, BadenWürttemberg wolle mit dem RWE-Konkurrenten Electricitè de France über einen Einstieg bei der EnBW verhandeln. EdF soll dem Land 4,7 Milliarden DM geboten haben. Der Rückzug des Kaufangebotes ist aber auch eine Reaktion auf Bedenken des Bundeskartellamtes gegen eine neue Marktmacht an der Ruhr, die sich nicht nur an der EnBW-Beteiligung festgemacht hätte, sondern die vor allem die zum 1. Januar geplante Fusion mit der Dortmunder VEW betrifft.