Kohlesubventionen auf dem Prüfstand

Billige Importkohle ist schuld daran, dass sich von der weitaus teurer geförderten deutschen Steinkohle am Markt keine einzige Tonne verkaufen ließe, gäbe es die öffentlichen Subventionen nicht. Sie wurden 1997 im sogenannten Kohle-kompromiß bis zum Jahre 2005 festgeschrieben. Und das mit Zustimmung der Europäischen Gemeinschaft. Dagegen hat vor dem Europäischen Gerichtshof ein britisches Bergbauunternehmen geklagt.

ARD-Sammelangebot von Donnerstag, 9.9.99

Von Lothar Kaiser

Mit Koks lässt sich kaum noch „Kohle machen“. Billige Importkohle ist schuld daran, dass sich von der weitaus teurer geförderten deutschen Steinkohle am Markt keine einzige Tonne verkaufen ließe, gäbe es die öffentlichen Subventionen nicht. Sie wurden 1997 im sogenannten Kohlekompromiß bis zum Jahre 2005 festgeschrieben. Und das mit Zustimmung der Europäischen Gemeinschaft. Dagegen hat vor dem Europäischen Gerichtshof ein britisches Bergbauunternehmen geklagt. Das Urteil des Gerichts wird für heute erwartet.

Die Kohlevereinbarung von 1997 sieht bis 2005 abschmelzende Subventionen vor. Dennoch summieren sich die öffentlichen Kohlebeihilfen in diesen acht Jahren noch auf fast 70 Milliarden. Dass die Europäische Kommission diese Kohleförderung erst im Juni 1998 genehmigt habe, obgleich keine Aussicht bestehe, die deutsche Kohle könne jemals wieder wettbewerbsfähig werden, moniert das britische Bergbauunternehmen RJB. Es sieht darin einen Verstoß gegen den europäischen Beihilfe-Kodex für Kohlehilfen und zog vor den Europäischen Gerichtshof. Der hat für heute das Urteil angekündigt. In Herne, dem Sitz der deutschen Steinkohle AG, die sämtliche fünfzehn Steinkohlebergwerke in Deutschland betreibt – elf an der Ruhr, drei im Saarland und eine in Ibbenbüren – ist man gespannt auf die Entscheidung der Richter.

Im Rahmen der Kohlevereinbarung von 1997 hatten Bund, Länder, Unternehmen und Gewerkschaft abschmelzende öffentliche Hilfen vereinbart. Die Folge davon sind Zechenstillegungen und Personalabbau. So soll es im Jahre 2005 an Saar und Ruhr nur noch 36.000 Bergleute in Steinkohlezechen geben. Ende 1997 waren es noch 85.000. Die Subventionen des Bundes, die diesen Anpassungsprozess sichern, summieren sich zwischen 1997 und 2005 auf die stolze Summe von 58,55 Milliarden Mark, die des Landes Nordrhein-Westfalen auf 9,61 Milliarden. Macht zusammen fast 70 Milliarden. Dass die Europäische Kommission diese Kohleförderung erst im Juni 1998 genehmigt habe, moniert das britische Bergbauunternehmen RJB. Es sieht darin einen Verstoß gegen den EGKS Beihilfe-Kodex für Kohlehilfen.

EGKS steht für den Vertrag der „Europäischen Gemeinde für Kohle- und Stahl“ aus den 50er Jahren. Er ist Urzelle der Europäischen Union. Der EGKS-Kodex sichert der Kohle- und Stahlindustrie in Europa derzeit noch Beihilfeprivilegien. Weil die Beihilfen in diesem Fall regelwidrig im nachhinein genehmigt worden seien und ohnehin keine Aussicht bestehe, dass die deutsche Kohle jemals wieder wettbewerbsfähig werden könnte, zog das britische Kohleunternehmen vor den Europäischen Gerichtshof. Der hat für heute das Urteil angekündigt.

In Herne, dem Sitz der deutschen Steinkohle AG, die sämtliche fünfzehn Steinkohlebergwerke in Deutschland betreibt – elf an der Ruhr, drei im Saarland und eines in Ibbenbüren – ist man gespannt auf die Entscheidung der Richter, aber nicht nervös. Vorstandsvorsitzender Wilhelm Beermann gibt sich gelassen:

O-Ton: Also, zunächst einmal bin ich guter Hoffnung, dass diese Entscheidung in unserem Sinne ausgeht. Sie basiert darauf, dass die Bundesrepublik Deutschland als ein Land mit wenigen eigenen Ressourcen immer eine gewisse Sockelpolitik der Absicherung mit fossiler Energie betrieben hat, eine Beihilfe gewährt, die in keiner Weise den Wettbewerb stört. Von daher erwarte ich, dass es eine positive Entscheidung wird.

Auch der nordrhein-westfälische Wirtschaftsminister Peer Steinbrück sieht die deutsche Kohlepolitik durch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs nicht gefährdet. Allenfalls könnte eine erneute nachträgliche Genehmigung durch die Europäische Kommission dabei herauskommen. Und Steinkohlechef Beermann vermutet:

O-Ton: Wenn überhaupt eine Beihilfeentscheidung negativer Art käme, kann ich mir überhaupt nicht vorstellen, dass sie einen zurückliegenden Zeitraum betreffen wird. Nun läuft der EGKS-Kodex, der die europäischen Kohlebeihilfen sichert, aber in zwei Jahren aus. Der alte Montanunionsvertrag ist weitaus subventionsfreundlicher als der EU-Vertrag. Über die künftigen Kohlesubventionen müsse die Bundesregierung daher schon bald mit der EU-Kommission verhandeln, forderte kürzlich der Nordrhein-Westfalens Wirtschaftsminister Peer Steinbrück:

O-Ton: Wir erwarten von der Bundesregierung, dass sie, sobald die neue EU-Kommission im Amt ist, die Fortsetzung des EGKS Beihilfe-Kodex für Kohlehilfen ab 2002 im Rahmen des EU-Vertrages in Brüssel durchsetzt. Die Landesregierung wird sie mit allen Kräften, die wir haben, unterstützten.

Auch der neue Kohle/Stahl-Vertrag auf EU-Ebene werde wieder Beihilfen für die deutsche Steinkohle vorsehen, gab im Juni 1999 NRW-Ministerpräsident Wolfgang optimistisch. Doch mit schwierigen Verhandlungen ist zu rechnen. Denn der Kommission der Europäischen Gemein-schaft sind die hohen deutschen Subventionen schon lange ein Dorn im Auge. Und bisher hat der Europäische Gerichtshof erst zwei von vier Klagen der britischen RGB Mining gegen die deutschen Kohlesubventionen abschlägig beschieden.

Angesichts dessen und vor dem Hintergrund der heutigen Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs ist damit zu rechnen, dass die öffentlichen Beihilfen für die deutsche Steinkohle nach 2005 noch weiter absinken werden. DSK-Vorstandsvorsitzende Wilhelm Beermann meldet Ansprüche an und hofft darauf, dass die Verhandlungen rechtzeitig beginnen werden:

O-Ton: Was ist rechtzeitig? Bergbau ist eine langfristige Sache mit längeren Planungsvorläufen. Wir gehen davon aus, dass wir spätestens Anfang nächsten Jahres die politischen Verhandlungen aufnehmen werde. Ich bin eigentlich guten Mutes, dass wir eine solche Anschlussregelung bekommen, die uns in die Lage versetzt, den nationalen Bergbau als ein wesentliches Versorgungselement der deutschen Wirtschaft weiter gestalten und finanziell fördern zu können.

Internet-Zusatzinformationen:

Der RAG-Chef setzt auf eine möglichst frühzeitige Entscheidung in der nationalen Kohlepolitik für die Zeit nach 2005, wenn der im Jáhr 1977 vereinbarte Kohlekompromiss ausläuft. Eine Entscheidung über die Zukunft der heimischen Kohle sei nicht nur für die RAG, sondern auch für eine sichere Energieversorgung in Deutschland von existentieller Bedeutung. Starzacher wörtlich: ‚Die deutsche Volkswirtschaft kann sich keine Hängepartie in der Energiepolitikeisten.‘

Angesichts des politisch angestrebten Ausstiegs aus der Kernenergie und der daraus entstehenden Versorgungslücke brauche Deutschland möglichst schnell Klarheit über den Energie-Mix der Zukunft. Vor diesem Hintergrund gebe es überzeugende Gründe, in Deutschland weiterhin langfristig Steinkohlenbergbau zu betreiben, sagte Starzacher. Wir sollten den Zugang zu dem – neben der Braunkohle – in Deutschland einzigen nennenswert verfügbaren Energieträger Steinkohle im Sinne der Versorgungssicherheit auch künftigen Generationen offen halten‘, so der RAG-Chef.

Die RAG sei gefordert, die öffentlichen Hilfen so effizient wie möglich einzusetzen, um einen optimalen Absatz erzielen und Arbeitsplätze sichern zu können. Die hierfür erforderlichen Investitionen benötigten eine lange Vorlaufzeit.‘ Deshalb braucht der deutsche Steinkohlenbergbau rechtzeitig verlässliche und belastbare Perspektiven über 2005 hinaus – und zwar nicht nur von einem Jahr auf das andere, forderte Starzacher.

(Aus einer Pressemitteilung der RAG Aktiengesellschaft, Essen, vom 21. März 2000)