Deutsche Steinkohle hat Probleme

1992 für 1,2 Milliarden Mark erbaut, gilt die Kokerei Kaiserstuhl in Dortmund noch heute als die modernste und umweltfreundlichste der Welt. Dennoch sieht der Betreiber, die Deutsche Steinkohle AG (DSK) in Herne, die 500 Arbeitsplätze in Gefahr, sollte sich Thyssen/Krupp dazu entschließen, die Stahlerzeugung in der traditionsreichen Dortmunder Westfalenhütte zu Gunsten von Duisburg endgültig einzustellen. Das kann schon im Herbst passieren. In Duisburg beginnt Thyssen-Krupp im kommenden Jahr mit dem Bau einer eigenen Kokerei. Kostenpunkt 1,5 Milliarden Mark. Internet-Zusatzinformation: Die Schließung ist inzwischen beschlossene Sache.

Gesendet am Dienstag, 1. September 1999, in Westblick“ auf WDR 5 zwischen 17.05 und 18 Uhr

Von Lothar Kaiser

Billige Importkohle ist das eine Problem der Deutsche Steinkohle AG (DSK) in Herne. Das andere bescherte die deutsche Stahlindustrie, indem sie ihre Produktion drosselte. Das schlug auf den Kohlezulieferer durch. Denn damit sank die Koksnachfrage, mußte die Produktion in den Kokereien Kaiserstuhl Dortmund und Prosper Bottrop heruntergefahren werden,wuchsen die Halden. Und wachsen weiter. Der DSK-Vorstandsvorsitzende Wilhelm Beermann:

O-Ton: Wir haben unsere beiden Hochofenkokereien Kaiserstuhl in Dortmund und Prosper heruntergefahren, haben also die unterste, technisch mögliche Grenze gewählt in der Auslastung. Trotzdem reicht das nicht aus, nicht aufzuhalden, sondern es sind seit dem Herbst vergangenen Jahres in der Größenordnung von 600/700.000 Tonnen auf die Halde gegangen.

Für das laufende Jahr rechnet die Deutsche Steinkohle AG damit, an die eisenschaffende Industrie zwei Millionen Tonnen weniger Kokskohle und Koks verkaufen zu können, gegenüber dem Vorjahr ein Rückgang um ein Fünftel. Die Produktion in den Kokereien läßt sich aus technischen Gründen aber nicht weiter drosseln.

O-Ton: Wir liefern Kokskohle an manche Stahlkunden, an manche nur Koks und an wieder andere beides. Wir haben insgesamt einen Absatz an Kohle grob 12 Millionen Tonnen, von Koks in der Größenordnung um 4 Millionen Tonnen.

Bezogen auf die Eisen- und Stahlindustrie. Der Stahlriese Thyssen/Krupp ist der größte Abnehmer von Koks aus den beiden Kokereien Kaiserstuhl in Dortmund und Prosper in Bottrop.

O-Ton: Kaiserstuhl und Prosper sind gleich groß mit jeweils 2 Millionen Tonnen Jahresproduktion. Kaiserstuhl ist die jüngste und modernste, in Betrieb gegangen für drei Hochöfen von Hoesch. Inzwischen gibt es im Dortmunder Raum nur noch einen Hochofen, und ich verrate kein Geheimnis, dass in der näheren Zukunft dieser auch gefährdet ist. Ohne Hochofen nur schwerlich eine Kokerei.

1992 für 1,2 Milliarden Mark erbaut, gilt die Kokerei Kaiserstuhl noch heute als die modernste und umweltfreundlichste der Welt. Mit Umweltschutzinvestitionen in Höhe von 400 Millionen Mark, die im Dortmunder Norden zu einer spürbar besseren Luft führten, aber auch als eine der teuersten. Der Chef der fünfzehn deutschen Steinkohlezechen unter dem Dach des Essener RAG-Konzerns sieht die 500 Arbeitsplätze von Kaiserstuhl in Gefahr, sollte sich der Stahlriese Thyssen/Krupp dazu entschließen, zu Gunsten des Stahlstandorts Duisburg im letzten Hochofen der traditionsreichen Dortmunder Westfalenhütte, früher Hoesch, das Feuer zu löschen, vielleicht sogar schon im Herbst.

Und auch um die Kokerei Prosper der DSK in Bottrop ist es nicht gut bestellt. Ihr erwächst in den nächsten drei Jahren in Duisburg-Schwelgern Konkurrenz. Dort will Thyssen-Krupp für 1,5 Milliarden Mark neue Großraumöfen bauen. Der dort entweder aus Importen oder aus deutscher Kohle erzeugte Koks dient dann in den eigenen vier Hochöfen in Duisburg-Hamborn und -Schwelgern der Erzeugung von Roheisen. Und für das bei der Koksherstellung anfallende Gas, das früher abgefackelt wurde, baut die RWE Energie AG ab Frühjahr in Duisburg-Hamborn ein neues Strom-Kraftwerk.

Derzeit verhandeln DSK und Thyssen/Krupp über künftige Kokskohle- und Kokslieferungen. Ein schwieriges Unterfangen. Dennoch rechnet Wilhelm Beermann noch in diesem Jahr mit Ergebnissen:

O-Ton: Unser Interesse ist, solange wie möglich, soviel wie möglich aus unserem Kokereibereich zu liefern. Wir können uns nicht erlauben, Kapazität unwirtschaftlich vorzuhalden.

Internet-Zusatzinformationen:

Am 30. März 2000 erfolgte der erste Spatenstich zum Bau der neuen ThyssenKrupp-Kokerei im Werkshafen von Duisburg-Schwelgern. Sie wird die „Dreckschleuder“ (Volksmund) in Du.-Bruckhausen ablösen.

Der Startschuss zum offiziellen Baubeginn der neuen Kokerei Schwelgern der Thyssen Krupp Stahl AG auf der Landzunge zwischen Schwelgernhafen und Rhein fiel am 26. Juli 2000. Der rund 1,6 Milliarden DM teure Neubau sei, betonte Vorstandsvorsitzender Dr. Wolfgang Kohler bei dieser Gelegenheit, aus wirtschaftlichen Gründen unverzichtbar: Der Bau, der im Jahr 2003 fertiggestellt sein wird, wird eine Jahreskapazität von rund 2,5 Millionen Tonnen Hochofenkoks haben und damit den Koksbedarf der beiden TKS-Hochöfen in Duisburg-Schweigern und damit rund 70 Prozent des gesamten Koksbedarfs der TKS, sicherstellen.

Aber auch unter dem Gesichtspunkt des Umweltschutzes sei der Kokerei-Neubau ein „essential“, betonte Kohler. Sowohl die Produktionstechnik als auch die Umweitschutzeinrichtungen entsprächen dem neusten Stand der Technik. Die Kokerei Schweigern wird – im Vergleich mit der August Thyssen Kokerei, die mit Inbetriebnahme der Kokerei Schwelgern vollständig stillgelegt wird – statt sechs nur mit zwei Batterien und statt 354 Koksöfen nur mit 140 betrieben; die Zahl der täglichen Druckvorgänge sinkt von früher 560 auf demnächst nur noch 135.

„Die Entstaubungsanlagen, die Ausführungen der Ofentüren und die Kokslöschung werden absolut up to date sein“, betonte Kohler. So würden Staub- und Kohlenmonoxidemissionen gegenüber heute um die Hälfte und die Emissionsströme aromatischer Kohlenwasserstoffe auf etwa ein Zwanzigstel der jetzigen Werte verringert.