Verwaltungsakademie für Westfalen

Im September 1990 wollen sie ihr Diplom in der Tasche haben, die 48 Verwaltungsangestellten und Beamte, Inspektoren, Oberinspektoren, Amtmänner- und -frauen, die an der Akademie für Verwaltung in Hagen ein nebenberufliches Fortbildungsstudium begonnen haben. Es ist der 15.Lehrgang der Hagener Akademie seit ihrer Gründung im Jahre 1948.

Veröffentlicht 1987, Basismaterial für Hörfunk

Von Lothar Kaiser

Bundesweit vergaben die Akademien seit 1949 rund 40000 Diplome. An der Hagener Akademie für Verwaltung, wo alle drei Jahre ein neuer Studienlehrgang beginnt, waren es in diesem Zeitraum fast 600 Diplome.

Wirtschafts- und Verwaltungsakademien gibt es in Deutschland schon seit den 20er Jahren. In der Bundesrepublik sind es heute 68, davon 13 in Nordrhein-Westfalen. Angesiedelt im tertiären Bildungsbereich, außerhalb von Fachhochschulen und Universitäten, widmen sich die Akademien als Selbsthilfeeinrichtungen der berufsbegleitenden Fort- und Weiterbildung von Führungskräften aus Wirtschaft und Verwaltung. In ihren mindestens sechssemestrigen Studiengängen mit berufsspezifischen Schwerpunkten bilden sie einen beträchtlichen Teil des Führungsnachwuchses in diesen Bereichen heran. Derzeit zählen die Akademien mehr als 8000 Studenten. Fast die Hälfte davon lebt in Nordrhein-Westfalen.

Gegründet wurde die Hagener Verwaltungsakademie 1948 als Dependance der Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie Bochum. Schon drei Jahre später kam es zur Trennung. Die Wirtschaftsakademie blieb Teil der Bochumer Institution, die Verwaltungsakademie wurde vom Provincialverband Westfalen übernommen, dem heutigen Landschaftsverband Westfalen- Lippe. Ihre Selbständigkeit, das heißt, eigene Organe mit Entscheidungsbefugnis in Etat- und Studienfragen – Vorstand, Geschäftsführung und Mitgliederversammlung -, erhielt die Hagener Akademie aber erst 1971 mit Gründung eines Trägervereins, dem heute der Landschaftsverband Westfalen-Lippe, die Stadt Hagen, der Hochsauerlandkreis, der Märkische Kreis sowie die Kreise Olpe und Siegen angehören.

Im Gegensatz zu den meisten anderen Akademien wendet sich die „Verwaltungs-Akademie für Westfalen“, der Name sagt es bereits, ausschließlich an Führungskräfte im öffentlichen Dienst, an Beamte des gehobenen und höheren Dienstes oder Verwaltungsangestellte in vergleichbaren Positionen von Gemeinde- und Stadtverwaltungen, Kreis- und Landesbehörden.

Ende der 70er Jahre, nach Gründung der Fachhochschulen für Wirtschaft und Verwaltung als neuer Ausbildungsstätten, wurde den Akademien ein schnelles Ende vorausgesagt. Als reine Fortbildungsstätten würden sie sich nicht halten können, hieß es damals. Doch die Unkenrufe verhall ten bald. Denn wie die Beschäftigten in Wirtschaftsunternehmen sehen sich auch die Bediensteten öffentlicher Verwaltungen wachsenden beruflichen Anforderungen ausgesetzt, etwa in Zusammenhang mit dem Einsatz neuer Techniken. Da reichen die während der Vor- und Ausbildung erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten oft nicht aus. Es gilt, das für den Beruf Erlernte ständig zu aktualisieren, zu erweitern und zu vertiefen.

Als Leitbild des Studienganges in Hagen nennt der Mannheimer Professor Dr. Peter Eichhorn, Vorsitzender des Bundesverbandes Deutscher Verwaltungs- und Wirtschaftsakademien, den „juristisch und ökonomisch versierten Generalisten“. Karriereziel der Studenten: Der Aufstieg in den höheren Dienst. Im Bundesdurchschnitt schafft ein Drittel der Diplom-Inhaber diesen Aufstieg. Von den Absolventen der Hagener Verwaltungsakademie sind es zwei Drittel.

Eine formelle Garantie für diesen Aufstieg bieten die verschiedenen Diplome der Hagener Verwaltungsakademie zwar nicht, weder das Kommunaldiplom, noch das allgemeine Verwaltungsdiplom, noch das der sozial wissenschaftlichen oder der betriebswirtschaftlichen Fachrichtung. Denn da die Akademien auch Studenten ohne Hochschulreife zulassen, fehlt ihren Diplomen die formaljuristische staatliche Anerkennung. Bei öffentlichen und privaten Arbeitgebern ist die Akzeptanz der Diplome jedoch groß. So rücken Absolventen der Akademien gerade in Verwaltungen von Gemeinden und kleineren Städten häufig in Führungspositionen auf. Im Sauer- und Siegerland zum Beispiel haben die meisten Stadtdirektoren und Beigeordneten die Verwaltungsakademie in Hagen besucht.

Der Geschäftsführende Direktor der Hagener Akademie, Fritz-Werner Körfer, verweist darauf nicht ohne Stolz. Daran zeige sich, meint er, dass die Akademie nicht nur zu größerem Fachwissen verhelfe und das systematische Denken fördere, sondern auch zu mehr Selbstvertrauen, Kritikfähigkeit und Redegewandtheit, kurz zu mehr Persönlichkeit führe. Für manche Studenten mit ein Beweggrund für dieses Studium.

Wer erst einmal das sechste Semester erreicht hat, bringt meist auch das Abschlusssemester mit Diplom-Arbeit und mündlichen Prüfungen er folgreich hinter sich. Die Durchfallquote in Hagen ist gering, nicht aber die der vorzeitigen Aussteiger: Von 37 jungen Beamten und Angestellten, die sich vor vier Jahren zum 14.Studienlehrgang anmeldeten, hielten lediglich 12 bis zum Diplom durch. Mit ein Grund dafür: Die Arbeit im Büro muss in der Regel aufgeholt werden.

Da ist es oft schwer, Beruf und Studium in Einklang zu bringen. Bei ihren Vorgesetzten finden die Studenten zwar durchweg Zustimmung und Unterstützung. Nicht aber bei ihren Kollegen.

95 Prozent der Diplome, die die Hagener Akademie bisher vergeben hat, sind sogenannte „Kommunaldiplome“. Dabei liegen die Studien-Schwerpunkte auf Kommunalem Verfassungs- und Wirtschaftsrecht, Haushalts- und Rechnungswesen, Abgabenrecht und Eigenbetriebsführung. Weitere Prüfungsgebiete sind Öffentliches und Bürgerliches Recht, Wirtschaftswissenschaften sowie betriebliche Informations- und Kommunikationstechniken. In ihrem neuen Studienplan für das Wintersemester 1987/88 legt die Hagener Verwaltungsakademie das Schwergewicht weniger als bisher auf die juristischen und mehr auf die wirtschaftswissenschaftlichen Fachrichtungen. Sie entspricht damit einem Wunsch der kommunalen Spitzenverbände und trägt zugleich gewandelten Berufsanforderungen Rechnung. Wobei der Lehrstoff auf dem der Fachhochschulen aufbaut. Vermittelt wird er allerdings nicht von Dozenten der Fach hochschulen, sondern größtenteils von Hochschullehrern.

In Hagen sind es fünf Professoren der Ruhr-Universität Bochum, vier der Fern-Universität Hagen, ein Senatsdirektor aus Lübeck, ein Ministerialdirigent und ein Ministerialrat aus Düsseldorf, je ein Referent des Deutschen Städtetages und des Städte- und Gemeindebundes, je ein Richter des Oberverwaltungsgerichts Münster und des Bundesverwaltungsgerichts Berlin, ferner Professor Eichhorn aus Mannheim und Akademie-Direktor Fritz Werner Körfer, der bis zu seiner Pensionierung Steueramtsleiter der Stadt Hagen war. Ihre Vorlesungen verteilen sich als berufbegleitender Blockunterricht auf mindestens sechs Halbwochen pro Semester, also sechsmal zwei bis drei zusammenhängende Studientage.

Hauptamtlich beschäftigt die Akademie einzig und allein eine Geschäftsstellenleiterin. Die Mitglieder der Studienleitung, darunter auch ein Studentenvertreter, erhalten lediglich Aufwandsentschädigungen. Die Dozenten werden stundenweise bezahlt. Nur so ist es zu erklären, dass der Jahresetat der „Verwaltungs-Akademie für Westfalen“ 200 000 Mark nicht übersteigt.

Als gemeinnützige Einrichtung arbeitet die Akademie nach dem Kostendeckungsprinzip. Die Trägerschaft ist daher für die Kommunen und Kommunalverbände kaum eine finanzielle Last. Von den schon seit Jahren gleichgebliebenen Zuschüssen in Höhe von 58000 Mark übernehmen der Landschaftsverband Westfalen-Lippe und die Stadt Hagen die eine Hälfte, die übrigen Kreise die andere. Ziel der Studienleitung sind Gebühreneinnahmen, die Zuschüsse der Träger vollends verzichtbar machen. Schon jetzt sind die Einnahmen aus Kurzzeit-Seminaren weitaus höher als die der Studienlehrgänge. Ein Beispiel: Im Vorfeld der Einführung des neuen, fälschungssicheren Personalausweises schulte die Hagener Akademie rund 600 Beamte und Angestellte aus allen Teilen der Bundesrepublik. Die Tagesgebühr von 100 Mark pro Teilnehmer, insgesamt also 60 000 Mark, zahlten die jeweiligen Dienstherrn. An derartigen Kurzzeitveranstaltungen nahmen Hagen von 1982 bis heute rund 5000 Beamte und Angestellte des gehobenen und den höheren Dienst teil.

Von den Gewinnen aus dieser sogenannten „Anpassungsfortbildung“ profitierten aber nicht nur die Träger der Akademie, sondern auch die Langzeit-Studenten, die Teilnehmer der Förderungsfortbildung. Ihre Studiengebühren konnten dadurch niedrig gehalten werden. Pro Semester zahlt ein Student der Hagener Akademie 250 Mark. Die Prüfungsgebühr am Schluss des Lehrgangs beträgt 350 Mark. Hinzu kommen die Kosten für Fahrten und Lernmittel – alles zusammen 3500 bis 4000 Mark, die die Beamten unter den Studenten als Werbungskosten bei Lohnsteuerjahres ausgleich oder Einkommensteuererklärung geltend machen werden können. Eine Prämie ihres Arbeitgebers in Höhe von 500 Mark winkt den Beamte für den Fall, dass sie ihr Diplom bekommen.

Für die Angestellten übernimmt das Arbeitsamt die Semestergebühren und Fahrtkosten und zahlt eine einmalige Lernmittel-Beihilfe von 150 Mark. Voraussetzung für diese Förderung ist, dass die Studenten eine Berufsausbildung abgeschlossen haben und seit mindestens drei Jahren beruflich tätig sind.

Finanziell stehen sich Angestellte im Studium also besser als Beamte. Nicht aber, was die erhoffte Karriere angeht. Da sind sie nach abgeschlossenem Studium vor Enttäuschungen nicht gefeit.