Paul Gerhard „Conny“ Mühlen, seit 20 Jahren Bürgermeister der Gemeinde Schalksmühle im Märkischen Kreis

Er gilt als impulsiv, nicht leicht zu nehmen, quirlig und in seinem Amt unermüdlich: Paul Gerhard („Conny“) Mühlen (65), seit nunmehr 20 Jahren Bürgermeister der Gemeinde Schalksmühle im Märkischen Kreis.

Veröffentlicht 1986

Von Lother Kaiser

Ein Jubiläum? Anlass jedenfalls für Gemeindedirektor Gerd Gebhardt, „Conny“ Mühlen einen speziell angefertigten Ehrenteller aus Keramik zu überreichen mit seinem und den Namen aller Ratsmitglieder. Und Anlass für uns, diesen Bürgermeister, der anfangs ein politischer Einzelkämpfer war und der seit 1969 mit der von ihm gegründeten „Unabhängigen Wählergemeinschaft“ (UWG) eine starke Hausmacht besitzt, zu portraitieren.

Das Bundesverdienstkreuz wolle er nicht haben, hat Paul-Gerhard Mühlen einmal gesagt. Die Begründung dafür? Das bekomme ja heute beinahe jeder, der sich danach dränge. So wird es in Schalksmühle kolportiert. Und zuzutrauen wäre „Conny“ Mühlen ein solcher Ausspruch durchaus. Selten hält er mit seiner Meinung hinterm Berg. „Kantig, unerschrocken, keine Tabus kennend, spontan, impulsiv, nicht immer einfach zu nehmend“, so charakterisiert Gerd Gebhardt, der Gemeindedirektor von Schalksmühle, den Mann, mit dem er beinahe tagtäglich zu tun hat.

Nach der nordrhein-westfälischen Gemeindeordnung ist „Bürgermeister“ zwar ein politisches Ehrenamt. „Conny“ Mühlen, wie ihn seine vielen Freunde nennen, hat sein Hobby, die Kommunalpolitik, jedoch fast schon zum Beruf gemacht. Der sichtbare Beweis dafür findet sich im ersten Stock des Schalksmühler Rathauses. Ein Hinweisschild. „Wartezimmer des Bürgermeisters“ steht darauf. Jeden Donnerstag zwischen 14 und 18 Uhr hält Paul-Gerhard Mühlen dort Sprechstunde ab. Sicher, das machen auch andere Bürgermeister. Aber wo ist die Zahl der Rat- und Hilfesuchenden schon so groß, dass ein Wartezimmer erforderlich ist? Der Bürgermeister als Fürsprecher der Bürger. Gegenüber Behörden und Institutionen, eine Art Ombutsmann nach schwedischem Beispiel? Genau das will der Kommunalpolitiker Paul-Gerhard Mühlen zusätzlich sein. Und ist es wohl auch.

Angefangen hat das 1966, vor zwanzig Jahren, als „Conny“ Mühlen, von Beruf freier Handelsvertreter für Werkzeugmaschinen, zum ersten Mal in dem Gemeinderat gewählt wurde. Nicht als Vertreter irgendeiner Partei, wohlgemerkt, sondern als Einzelbewerber. Die Sitzverteilung damals: 9 SPD, 7 CDU, 2 FDP, und 1 Parteiloser, eben Paul-Gerhard Mühlen. Zwei Jahre später wurde er von eben diesen Ratsmitgliedern zum Bürgermeister gewählt. Eine „Unabhängige Wählergemeinschaft“ gab es damals in Schalksmühle noch nicht. Die gründete Mühlen im Zuge der kommunalen Neuordnung. Und bei der ersten Kommunalwahl nach der Neuordnung, das war 1969, da erhielt diese UWG auf Anhieb die absolute Mehrheit. Und daran hat sich bis heute nichts geändert.

Bei der Kommunalwahl 1984 erzielte die UWG, angeführt von „Conny“ Mühlen, mit 60,1 Prozent der Stimmen sogar ein neues Spitzenergebnis. Zwanzig UWG-Vertreter sitzen seitdem im Stadtrat einer unbedeutenden Opposition von acht SPD- und fünf CDU-Vertretern gegenüber. Wie es Bürgermeister Mühlen und „seine“ UWG soweit haben bringen können? Durch eine ganz bewusste Kirchturmspolitik. Von Parteipolitik auf örtlicher Ebene will Paul-Gerhardt Mühlen nun einmal nichts wissen. Und folglich auch nichts von einem Sitz im Kreistag. Die UWG, die dort vertreten ist, hat mit der Schalksmühler UWG nichts zu tun. Und läuft dort bei Kreistagswahlen auch nur unter ferner liefen.

Interessant die Wahl von 1984: Während SPD und CDU bei der damaligen Kommunalwahl insgesamt nur 40 Prozent aller Stimmen auf sich vereinen konnten, kamen sie bei der gleichzeitigen Kreistagswahl, zu der Mühlen und die UWG nicht angetreten waren, auf 87,9 Prozent, 45,2 Prozent für die SPD und 42,7 Prozent für die CDU. Was so viel heißt, dass jeder dritte SPD-Wähler und jeder zweite CDU-Wähler bei der Kommunalwahl für die UWG, für Mühlen gestimmt haben muss. Und da sage noch einer, Wähler könnten nicht differenzieren. Es braucht nur jemand da zu sein, für den es sich zu differenzieren lohnt. Und das ist in Schalksmühle ein Bürgermeister zum Anfassen, jemand, der, wie Gemeindedirektor Gebhardt es sagt, in das übliche Raster eines Ratsvorsitzenden und Gemeinderepräsentanten nicht hinein passt; der „mehr“ aus diesem Amt macht.

Und das macht „Conny“ Mühlen in der Tat. Wenn er beispielsweise Streitigkeiten zwischen Mietern und Vermietern schlichtet, wenn er wegen angeblicher illegaler Arbeitsvermittlung ein Bußgeld des Arbeitsamtes in Höhe von 30.000 Mark riskiert, weil er arbeitslosen Jugendlichen Stellen vermittelt hatte – längst ist das Arbeitsamt froh über diese Initiative – wenn er private Entwicklungshilfe proklamiert – der Vorsitzende des 1984 gegründeten Vereins „Partner Sahelzone“ heißt Paul-Gerhard Mühlen -, oder wenn er mit ungewöhnlichen, aber von gesundem Menschenverstand gekennzeichneten Vorschlägen und Stellungnahmen an die Öffentlichkeit tritt, die nicht selten über Schalksmühle hinauszielen. Im Mittelpunkt seines persönlichen wie politischen Lebens steht jedoch „seine“ Gemeinde, in der der gebürtige Halveraner nun schon seit 1931 lebt. Ansprechpartner für alle, mal Schiedsmann, mal Verteidiger, Anwalt der Bürger auch in Angelegenheiten, aus denen er sich vornehm heraushalten könnte. Wie gesagt, manchmal ein unbequemer Mann. Aber genau so wollen die Bürger von Schalksmühle ihren „Conny Mühlen“ offenbar haben. 1986