„Wider den Tendenz-Journalismus“ (??)

1986:  Verein „Bürger fragen Journalisten“ macht von sich reden.

Der erste „Medientag“ des vor einiger Zeit gegründeten Vereins „Bürger fragen Journalisten“ belegte Vermutungen, dass es sich hier um eine Lobby-Vereinigung zur Förderung positiver Berichterstattung im Fernsehen handelt. Ein kommentierenden Bericht eus der Sicht eines skeptischen Journalisten.

„Trans-Media“ nennt sich ein „Medientag“, der von nun an einmal jährlich stattfinden soll, veranstaltet von dem im Dezember 1984 in Erlangen gegründeten Verein „Bürger fragen Journalisten e.V.“. Ziel dieser Tagung: Publizität für den Verein. Ziel des Vereins ist es, das „Recht der Bürger auf unverfälschte Unterrichtung durch die Medien“ zu reklamieren wo immer er manipulierte, tendenziöse oder unternehmerfeindliche Berichterstattung zu erkennen glaubt. Der erste „Medientag“ von ,Bürger fragen Journalisten“, der am 7. März dieses Jahres (1986) in Erlangen stattfand, galt der Frage „Hat das Fernsehen eigentlich immer recht?“.

Auf diese Frage gibt es natürlich die klare Antwort: Natürlich nicht. Wer kann schon von sich behaupten, immer recht zu haben. Unfehlbar ist schließlich niemand. Um darauf zu kommen, hätte es also nicht jener sechs Professoren und zwei Medienkritiker bedurft, die beim ersten „Medientag“ im März in Erlangen auf dem Podium saßen und dem Vereinsvorstand, den Mitgliedern und Sympathisanten vier Stunden lang erzählten, was sie gerne hören wollten: Massive Kritik an den öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten und den dort arbeitenden Journalisten. Was für den Veranstalter eine „Tagung von hoher Qualität“ war, erschreckte und verblüffte die anwesenden Journalisten im hinteren Teil des Saales in gleich hohem Maße. Zwar hatten sie mit einer massiven Medienschelte von vornherein gerechnet – schließlich hatte der Verein vor diesem „Medientag“ eine Mitgliederversammlung abgehalten und konnte im übrigen zu der Tagung auch Mitglieder des Arbeitskreises „Medien“ der Jungen Union sowie Landes- und Europapolitiker der CSU begrüßen, so dass sich die rund 200 Teilnehmer dieses „Medientages“ ihrer geistigen Verwandtschaft weitgehend sicher sein konnten. Überraschend war für die Journalisten aber doch die Deutlichkeit und weitgehende Unsachlichkeit, mit der diese Medienschelte ausfiel.

Und dies nicht nur auf Seiten der Vereinsmitglieder, sondern auch auf Seiten der namhaften Wissenschaftler, die ohne Honorar, nur gegen Erstattung der Fahrtkosten nach Erlangen gereist waren, um ihrem Unmut über die Rundfunkmacher Luft zu machen. Ganz auf der Linie des Vereins, der sich als „Bürgerinitiative für Informations- und Meinungsverbreitungsfreiheit“ versteht und gegen „missionarische Kampagnen“ ankämpft, gegen „Journalisten, die Polizist, Ankläger, Richter und Berufungsinstanz in einer Person sein wollen“.

Die allgemeine Stimmungslage auf dem Erlanger „Medientag“ entsprach den Vereinsstatuten: Insbesondere Fernsehjournalisten wollten ja gar nicht objektiv berichten, hieß es auch in den Statements der sechs Professoren, sondern sie wollten ja nur ihre eigenen Meinungen unters Volk bringen. Da wurde in wohlgesetzter Wissenschaftssprache viel Widersprüchliches gesagt, so dass es schwer fiel, in dem Wust von Anwürfen und Anfeindungen noch ein paar halbwegs klare Positionen zu erkennen. So warf zum Beispiel Dr. Hans Mathias Kepplinger, Professor für Publizistik an der Universität Mainz, den Rundfunkjournalisten „Verstöße gegen das Neutralitätsgebot“ vor, ohne diesen Begriff näher zu erläutern. Andererseits wünschte man sich den unabhängigen, selbstbewussten Journalisten. Dann wieder die Forderung nach „Ausgewogenheit“. Zitat: Wenn man schon über Manipulationen bei der Präsidentenwahl auf den Philippinen berichte, dann müsse man auch über die Scheinwahlen in der DDR berichten.

Dr. Martin Kriele aus Leverkusen, erst kürzlich aus der SPD ausgetreten, mit der er sich er sich wegen deren Nicaragua-Politik überworfen hatte, gab seine Eindrücke von Land und Leuten auf dem Erlanger ,,Medientag“ unter der Überschrift wieder: „Der Bildschirm und das Auslandsbild“. Tenor: Falsch sei nicht nur das Bild, das die SPD in der Bundesrepublik von Nicaragua zeichne, sondern auch das der Fernsehkorrespondenten. Um das „Geschichtsbild des Fernsehens“ sorgte sich sodann Dr. Günter Rohrmoser, Professor für Sozial-Philosophie an der Universität Stuttgart-Hohenheim. Seine Erkenntnis: Erst durch die Medien hätten die Friedensbewegung und die Partei der „Grünen“ ihre Bedeutung in der Öffentlichkeit erlangt.

Dr. Karl Steinbuch, Professor für Nachrichtenverarbeitung an der Universität Karlsruhe, ging noch einen Schritt weiter: So irrational wie die derzeitige Umweltbewegung (Zitat: „Die Kernenergie ist milliardenfach weniger gefährlich als der Straßenverkehr“), so irrational sei auch das Umweltbild, das das Fernsehen den Bundesbürgern vermittele. Die Leidtragenden dieser Art von Berichterstattung seien unter anderem die Energie- und die Pharma-Industrie.

Erst die Journalisten sagen den Bürgern, was sie zu beschäftigen habe. Darin waren sich die Professoren einig. Dr. Erwin Scheuch, Soziologe an der Universität Köln und Vorstandsmitglied im konservativen „Bund Freiheit der Wissenschaft“, machte da keine Ausnahme. Von Journalisten werde ein Thema zunächst „erkoren“, bevor sie es zum Medienereignis hochstilisierten; nicht ohne es mit einer gehörigen Portion „Düsternis“ zu versehen. Die Folge: In der Bevölkerung herrsche eine „permanente Katastrophenstimmung und Nervosität“. Da fiel es Dr. Alphons Silbermann, Leiter des Instituts für Massenkommunikation an der Universität in Köln, natürlich leicht, von einer „kulturellen Desinformation“ des Fernsehens zu sprechen.

Dass dahinter politische Absichten stehen, ist die Grundannahme des Vereins ,,Bürger fragen Journalisten“, Zitat aus dem Vereinsblatt Trans-Media: „ARD und ZDF sind stramm links“. Reginald Rudorf, Chefredakteur des Mediendienstes rundy, wollte dies zwar nicht so ohne weiteres unterschreiben und sprach von Verallgemeinerung, war im übrigen jedoch bei seiner Schelte an den öffentlich-rechtlichen Anstalten nicht weniger zimperlich als die Professoren. Und nicht weniger widersprüchlich. Rudorfs Forderung: Die Rundfunkanstalten sollten mehr auf Einschaltquoten achten, auf den Geschmack des Publikums („Abstimmung am Kiosk“), sollten ihr Programm stärker nach marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten gestalten. Gleichzeitig kritisierte der rundy-Chefredakteur aber genau dieses marktwirtschaftliche Verhalten, sei die ARD doch ihrer neuen, privaten Konkurrenz zuvorgekommen, indem sie für viel Geld in den USA ein großes Kontingent an Spielfilmen der Spitzenklasse eingekauft und den „Privaten“ mindere Qualität überlassen habe. Aufgabe des Vereins „Bürger fragen Journalisten“ müsse es (deshalb?) sein, der Verkabelung der Bundesrepublik und der Medienpolitik von Bundespostminister Christian Schwarz-Schilling „Vorschub zu leisten“, damit es den „Privaten“ schließlich doch noch gelänge, das Monopol der öffentlich-rechtlichen Anstalten zu durchbrechen.

Um nun nicht missverstanden zu werden: Journalisten aller Medien müssen sich durchaus der öffentlichen Kritik stellen. Im Prinzip ist also gegen einen Verein „Bürger fragen Journalisten“ gar nichts einzuwenden. In diesem konkreten Fall sind jedoch Zweifel angebracht an der Seriosität einer solchen Kritik: Vorsitzender und Gründer des Erlanger Vereins ist Hansjörg Klein, aktives CSU-Mitglied und Leiter der Abteilung „lnfo-Service“ bei der Siemens-Firma „Kraftwerkunion“. Weitere Vorstandsmitglieder des Vereins: Dr. Frank Morell, beim „Verein Deutscher Ingenieure“ (VDI) in Düsseldorf für die Aktion „Energie und Technik für unser Leben“ zuständig für deren Einschaltungen im ZDF-Werbefernsehen. Mit Morell hat der Vereinsvorsitzende Klein beruflich ebenso zu tun wie mit einem weiteren Vorstandsmitglied, Dr. Karl-Rudolf Schmidt von der VDI-Gesellschaft ,Energietechnik“.

Aber nicht nur der VDI ist im Vereinsvorstand gleich zweifach vertreten, sondern auch die Erlanger „Mediengruppe Dr. Straube“. Zum einen durch den Unternehmenschef selbst, Dr. Dietmar Straube, Herausgeber verschiedener medizinischer Fachzeitschriften (perimed-Verlag) und eines Videodienstes (,,Puls“), der kostenlos an rund 16.000 Ärzte in der Bundesrepublik verschickt wird und sich über direkte und indirekte Werbung der Pharmaindustrie finanziert. Und zum anderen Wolfgang Henke, Chefredakteur der zur „Straube-Gruppe“ gehörenden „Franken Funk- und Fernseh-GmbH“, die ursprünglich ab 1. April dieses Jahres mit einem Fernseh-Vollprogramm („Impuls TV“) auf den Fernsehsatelliten Intelsat V gehen wollte, sich jetzt aber doch auf die Rolle eines privaten Programmanbieters beschränken will, da die geringe Zahl von Kabelanschlüssen noch kein lukratives Geschäft verspricht.

In seinen Publikationen verschweigt der Verein „Bürger fragen Journalisten e.V.“ das berufliche Umfeld seiner Vorstandsmitglieder geflissentlich; dies ist ganz im Stile der politischen Aktions-Komitees, wie sie in den USA schon seit einigen Jahren unter dem Deckmantel scheinbar neutraler Bürgerinitiativen gezielt Gruppeninteressen vertreten. Welche Interessen der Erlanger „Bürger“-Verein vertritt, zeigen seine ersten öffentlichen Aktionen, Briefe an missliebige Fernsehjournalisten und Anzeigen in der Tageszeitung „Die Welt“, in der diese Journalisten dann samt ihrer Intendanten an den Pranger gestellt wurden.

Ein paar Beispiele: Kritisiert wurden eine ZDF-„Reportage am Montag“ über Arzneimitteltests, ein „Report“-Beitrag über einen „Eierskandal“ (Hühnerembryos in Flüssig-Ei zur Nudelherstellung) und einen „Monitor“-Bericht über den „Schnellen Brüter“ in Kalkar, an dessen Bau die Erlanger „Kraftwerkunion“ beteiligt war. (Merke: Für die betreibt der Vereinsvorsitzende Hansjörg Klein (hauptberuflich) Öffentlichkeitsarbeit.).

Der Intendant des ZDF, Dr. Dieter Stolte, vermutete ob dieser Zusammenhänge schon Ende vorigen Jahres in einem Bericht an den ZDF-Fernsehrat, dass es sich bei „Bürger fragen Journalisten“ um eine Vereinigung handele zur Wahrung industrieller Interessen. Und der ARD-Vorsitzende und SWF-Intendant Willibald Hilf vertritt die Ansicht, der Verein wolle offenbar kritische Berichterstattung im Wirtschaftsbereich bekämpfen. Wie richtig beide mit ihrer Einschätzung liegen, wurde beim ,Medientag“ des Vereins in Erlangen deutlich. Da war von einem „zutiefst industriefeindlichen Journalismus“ die Rede. Und solche Rückenstärkung müsse der Industrie dann doch – daraus machte der Vereinsvorsitzende gar kein Hehl – eine finanzielle Unterstützung der Vereinsarbeit wert sein. Zwar gebe es solche Spenden bereits; eine Maschinenfabrik zum Beispiel habe – „steuerabzugsfähig“ -40.000 Mark gespendet. Aber, so Hansjörg Klein: „Es könnten mehr Spenden sein!“

Schlecht scheint es dem Verein allerdings schon jetzt nicht zu gehen. Immerhin kostete dieser „Medientag“ nach Angaben des Vorsitzenden mehr als 10.000 Mark, beschäftigt der Verein inzwischen fünf hauptamtliche Mitarbeiter und gibt sein