Auf der Suche nach neuen Quellen

Es gibt Mitmenschen, die beweisen wahre Meisterschaft, wenn es gilt, die eigene Kasse zu schonen und andere Geldquellen anzuzapfen. Journalisten – entgegen anderslautenden Gerüchten auch nur Menschen – fehlen in dieser Gruppe nicht. Sie erschließen sogar, mal mehr, mal weniger, ganz spezielle Quellen – bei Braunkohle, Ruhrkohle, Verkehrsbetrieben, Stadtwerken, Brauereien, Elektrizitätswerken, Geldinstituten und unzähligen anderen Unternehmen mit Etats für „Öffentlichkeitsarbeit“, die nur darauf warten, angezapft zu werden. Anlässe für solche Quellbohrungen gibt’s genug. Angefangen von Sommer- und/oder Winterfesten (Verzeihung, Pressebällen), Frühlings- und Herbstausflügen, ja selbst Jahreshauptversammlungen mit Vorstandswahlen sollen schon „auf Einladung der Brauerei…“ veranstaltet worden sein – bis hin zum jährlichen Verbandstag des DJV-Landesverbandes haben die örtlichen Pressevereine als Ausrichter dieser Veranstaltungen viel zu tun. Und sie packen‘ s an.

Erschienen in der Ausgabe 5/1982 des „DJV-Journals“, Düsseldorf

Das sieht dann häufig so aus: Das Mittagessen zahlt die Stadtsparkasse, den abendlichen Empfang übernimmt die Kreisverwaltung, Biergläser mit Aufdruck stiftet „die renommierteste Brauerei am Ort“, und der Getränkestand der heimischen Molkerei ist fast schon eine Selbstverständlichkeit und wird (drei Präsenttüten sind besser als eine) freudig angelaufen.

Wer da sagt:“ Das ist nun mal so. Reden wir nicht weiter drüber“, liegt völlig falsch. Man muss zu seinen Handlungen stehen, bitte sehr. So geschehen auf dem Empfang am Vorabend eines RWJV-Verbandstages, als der Vorsitzende des ausrichtenden Presseclubs markig-offen über seinen Bittsteller-Wirbel bei örtlichen Verwaltungen, Verbänden und Firmen plauderte. Und kaum eine Ausgabe des RWJV-Journals, in der nicht darüber berichtet wird, wo, wann und in welchem Ausmaß Journalisten wieder einmal Quellen erschlossen haben.

RWJV-Geschäftsführer Erwin Burgmaier, verantwortlicher Redakteur der Verbandszeitschrift, kann sich verständlicherweise nicht zum Zensor jener Kollegen in den Ortsvereinen aufschwingen, die mehr oder wenig blumig über die Fahrten und Veranstaltungen schreiben, „zu deren gutem Gelingen die Firmen … maßgeblich beigetragen haben“. Die journalistische (1) Verantwortung für diese Texte bleibt folglich bei ihren Verfassern.

Wie sich so etwas liest ? Zitat aus dem Bericht eines Pressevereins im RWJV-Journal 4/82: Der“ zünftige Familienausflug … war nach übereinstimmender Meinung aller Teilnehmer… eine tolle Sache“. Dagegen wäre noch nichts zu sagen, wenn nicht – quasi als Begründung für die einhellige Meinung – angeführt würde, dass es ..in der Land-Großschlächterei S.“ (Anm.: Die Abkürzungen erfolgen, um weitere Schleichwerbung zu vermeiden) „zur Begrüßung Schinken und ein kühlendes niederrheinisches Alt. .. und zum krönenden Abschluss ein Spanferkel (gab), das allen vorzüglich mundete“.

In der gleichen Ausgabe heißt es in einem zweiten Bericht, der Pressesprecher der „gastgebenden Privatbrauerei St…. vertiefte mit einigen Informationen über Bier im allgemeinen und sein Haus im besonderen den Genuss des frischgezapften Bieres“. Da kann es nicht mehr verwundern, wenn ein anderer Presseverband die Düsseldorfer Weinimportfirma S. gleich in drei Ausgaben des Verbandsjournals hintereinander nennt. Laut Ausgabe 1/80 hatte die Firma „in der Sparkasse P. … eine Probe köstlicher Weine und Käsesorten aus Frankreich vorbereitet“; von einer Trockenbeerenauslese der Firma ist in 2/80 die Rede, und in 3/80 werden „acht kostbare französische Tropfen“ gelobt, natürlich vom gleichen Spender S.

Da passt ins Bild, dass laut Bericht des gleichen Presseverbandes die Journalisten beim Christbaumschlagen der … banken neben einem „Grünkohlessen (mit Kartoffeln, Schweinefleisch und Mettwurst)“ -(Anm.: Der Verfasser hat die Soße vergessen) – „dankbar… auch neueste Kalender… als Präsente annahmen“ (1/80) und bei anderer Gelegenheit ein „kräftigendes Fitness-Frühstück der Milchwerke W.“ (4/80).

Auf Herbstausflügen scheinen manche Ortsvereine besonders gerne Quellen anzubohren. Da freuen sich beispielsweise die Mitglieder des einen Pressevereins über Freibier, die eines zweiten über ein „köstliches Mittagessen im V.-Stammhaus“ und die eines dritten über einen „Erfrischungsstand der Milchwerke P…. und ein 100-Liter-Faß der P.-Brauerei“ (alle drei Zitate aus 4/79). Dankbarkeit spricht jedoch nicht nur aus der Namensnennung der Gastgeber und Spender – man weiß schließlich, was sich gehört -, sondern auch aus der Übernahme gewisser Darstellungsweisen. Zum Beispiel, wenn berichtet wird, das neue Kraftwerk sei nur deshalb um eine Million Mark teurer geworden, weil zuerst ein Prozess gegen Kraftwerksgegner, habe geführt werden müssen. Und Mitglieder eines anderen Pressevereins überzeugten sich auf einer „außerordentlich informativen Berlin-Fahrt. .., veranstaltet mit Hilfe des Bundesministers für innerdeutsche Fragen“ im Kraftwerk L. der B. davon, dass dieses Kohle-Kraftwerk „den Erfordernissen des Umweitschutzes weitgehend Rechnung trägt“.

Entsprechend hinterlässt bei ihnen eine Großmaschinenfabrik der AEG (!) den „bleibenden (?) Eindruck darüber, was Ingenieurkunst und Hunderte von fleißigen Händen zu schaffen vermögen“ (4/79). Klar, dass Mitglieder eines weiteren Ortsvereins ihre Exkursion zur Luftfahrtausstellung Hannover auf Einladung der Bundesluftwaffe, wo „die lndustrie“ vorführte, „was man mit Fluggeräten alles anstellen (!) kann“, als“ durchaus sinnvoll verbrachte Zeit“ (4/82) ansahen und sich beim Besuch einer Reaktorbaufirma darin einig waren, „dass ein Streitgespräch von überzeugten Anti-Atomlern und Pro-Atomlern den entsprechenden Foren überlassen bleiben sollte“ (2/79).

Wie hieß es doch im Geschäftsbericht 1981 des DJV, vorgelegt im Mai 1982 auf dem Verbandstag in Saarbrücken unter Absatz 15.6., „Journalisten in Wirtschaft und Verwaltung“: „Der Fachausschuss bemühte sich bisher nicht sehr erfolgreich um Zulieferung von Material zu einem Schwarzbuch über Schleichwerbung. Die ersten Unterlagen sind eingegangen, weitere werden dringend erbeten. “ Nun wäre es für den Fachausschuss sicherlich kein Problem, für das Schwarzbuch den Berichten von Ortsvereinen im RWJV-Journal diverse „Quellen-Angaben“ zu entnehmen, zumal Fachausschusssprecher Georg-Volkmar Graf Zedtwitz-Arnim, Frankfurt, die Zeitschrift als Mitglied des RWJV erhält. Doch dies würde dem Schwarzbuch eine völlig andere Tendenz geben. Schließlich soll Schleichwerbung in Tageszeitungen angeprangert werden – von Journalisten gegen die eigene Überzeugung und allein auf Druck der Verleger/Anzeigenleiter ins Blatt gehoben; da kann für Beispiele von Firmennennungen im gewerkschaftseigenen Blatt – freiwillig und voller Dankbarkeit vorgenommen – kein Platz sein. Ganz abgesehen davon, dass den betreffenden Ortsvereinen derartige „Quellen-Nachdrucke“ gar nicht willkommen wären.