Mit harten Bandagen: Der Kampf auf dem Markt derAnzeigenblätter

1982:  Anzeigenblätter sind ein großes Geschäft – in den vergangenen zehn Jahren (seit 1972) hat sich eine titelreiche und auflagenstarke Gratispresse entwickelt. Die „Neuverleger“ organisierten sich im Verlegerverband Deutscher Anzeigenblätter (VVDA) – der BDZV reagierte mit „Abwehrblättern“. Wenig zimperlich sind die Methoden, mit denen die Konkurrenten dabei miteinander umgehen. In ersten Grundsatzurteilen wurden inzwischen die rüden Wettkampfmethoden gerügt – es ging um Millionenbeträge. (Eine Situationsbeschreibung aus dem gleichnamigen Jahr)

In den vergangenen zwanzig Jahren hat die Zahl der Anzeigenblätter in der Bundesrepublik Deutschland rapide zugenommen. Der „Medienbericht 1978“ der Bundesregierung nennt für 1964 noch 170 Anzeigenblattausgaben mit rund acht Millionen Exemplaren. Für 1977 werden bereits 576 Titel mit einer Gesamtauflage von 20,7 Millionen aufgeführt. Und inzwischen sind es 860 Anzeigenblätter mit einer Gesamtauflage von über 32 Millionen Exemplaren. Ihr Gesamtumsatz lag im vergangenen Jahr bei mehr als einer Milliarde Mark.

Nahezu paritätisch teilen sich die et-ablierten Verleger (Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger e.V., BDZV) und die „Neuverleger“ im „Verlegerverband Deutscher Anzeigenblätter e.V.“ (VVDA), beide mit Sitz in Bonn, das Geschäft mit den Anzeigenblättern. Der BDZV bringt es auf rund 380 Titel, der VVDA (dessen Aufgabe es laut Satzung ist, „dem Medium Anzeigenblatt eine volle Entfaltung der Anwendungsmöglichkeiten zu sichern“) kommt auf 480. Dafür liegt der BDZV mit einer Auflage von 16,8 Millionen Exemplaren – 35,75 Prozent ‚ davon werden in Nordrhein-Westfalen verteilt -. über der des VVDA; dessen 122 Mitgliedsverlage erreichen 15,7 Millionen.

Beide Gruppen haben ihr Auskommen mit dem Einkommen. Denn immerhin hat, so Franz Schmidl, Geschäftsführer des VVDA, „das Medium ,Anzeigenblatt‘ mit ungefähr zehn Prozent aller Werbeaufwendungen in der Rangfolge nach Tageszeitungen, Illustrierten und Publikumszeitschriften sowie dem Bereich der Direktwerbung mittlerweile den vierten Platz erreicht und liegt damit vor dem Werbeaufkommen für Fernsehen, Rundfunk und Plakatanschlag“. Und Schmidl hat auch die Begründung dafür parat: „Tageszeitungen erreichen oft nicht mehr als ein -Drittel aller Haushaltungen und lassen bei fortschreitender Pressekonzentration eine Belegung kleinerer Einheiten immer weniger zu, so dass auf dem lokalen Markt laufend neue Leerräume entstehen“.

In die können dann Anzeigenblätter vordringen, deren besonderer Anreiz für den Inserenten, so der „Medienbereich 1978“ der Bundesregierung, „in der fast vollständigen und relativ eng eingrenzbaren Abdeckung der örtlichen Haushalte liegt“. Mit lokalen oder regionalen Tageszeitungen können sich Neuverleger am Markt nicht halten. 25mal wurde seit 1954 ein solcher Versuch unternommen; stets ist er gescheitert. Zu diesem Ergebnis kamen im November 1981 sechs Medien- und Wirtschaftsexperten bei einer Anhörung an der Universität Dortmund.

Auf Möglichkeiten eines Markteinstieges auf dem Umweg über Anzeigen- oder Wochenzeitungen verwies dagegen bei diesem „Hearing“ Dr. Manfred Knoche von der Freien Universität Berlin. Zwar sind Versuche, in Großstädten heute noch gegenüber bestehenden Anzeigenblättern eine Konkurrenz aufzubauen, nach den Erkenntnissen von Norman Rentrop, der in Bonn „Die Geschäftsidee“ herausgibt, fast alle gescheitert. Chancen für „Neulinge“ sieht er allerdings in Klein- und Mittelstädten, in denen es noch keine Anzeigenblätter gibt. Zitat aus seinem Unternehmenskonzept „Anzeigenblatt“ aus dem Jahre 1980: „Mindeststartkapital 10 500 Mark, durchschnittlicher Gewinn vor Steuern 100 000 Mark pro Jahr. Wachstumspotential: groß“.

Wohlfeile Redakteure? Nach Auffassung Rentrops können Anzeigenblätter deshalb preisgünstiger als Tageszeitungen sein, weil sie „keinen aufwendigen Redaktionsapparat unterhalten müssen“. Denn, so der Tipp des Mannes, der die Idee mit der „Geschäftsidee “ hatte: „Je nach Umfang Ihres Blattes und Größe des Erscheinungsgebietes müssen Sie einem Redakteur 1 000 bis 2 500 Mark im Monat zahlen … Bei der derzeitigen Arbeitsmarktsituation für Journalisten finden Sie leicht einen geeigneten Redakteur … Am besten schließen Sie einen Freien Mitarbeiter-Vertrag‘ ab… Dann müssen Sie sich nämlich nicht um Sozialabgaben, Steuern usw. kümmern. Journalisten sind gewohnt, auf dieser Basis zu arbeiten.“

Wir wissen nicht, woher Norman Rentrop seine Erkenntnisse bezieht. Dass Anzeigenblatt-Verleger die Arbeit „ihrer“ Redakteure vielfach unterbewerten – und dies spricht aus den Zeilen der „Geschäftsidee“ – bestätigte allerdings in einem Referat anlässlich einer Mitgliederversammlung des VDAV im Oktober 1980 Hartmut Hentschel, Medienreferent der Konrad-Adenauer-Stiftung: „Die Anzeigenblätter wurden von den Verlegern zumeist nicht mit einem journalistischen Anspruch gegründet.‘ Im Vordergrund stand und steht auch heute noch bei vielen das wirtschaftliche Interesse. Die deshalb oft fehlende Redaktionskonzeption – keine Orientierung, kein Profil, man produziert und zumeist noch am Leserinteresse, am Lesermarkt vorbei – macht Anzeigenblätter unter Journalisten nicht gerade attraktiv. Die Folge ist, dass auch Nachwuchsjournalisten erst an letzter Stelle ihre berufliche Zukunft mit dem Journalismus in Anzeigenblättern verbinden“.

Nach Ansicht Hentschels fehlt „ein auf die speziellen Bedürfnisse von Anzeigenblättern zugeschnittenes lokaljournalistisches Berufsbild“. Die Mitglieder des Fachausschusses „Tageszeitungen“ im DJV sehen das anders. Zum Verbandstag in Saarbrücken legten sie einen Antrag vor, der die zuständigen Gremien des DJV auffordert, mit VVDA und BDZV, sprich dessen Arbeitsgemeinschaft ,Anzeigenblätter“, Tarifverträge für Redakteure an Anzeigenblättern abzuschließen, die die allgemeinen Arbeitsbedingungen, Gehälter, Mindesthonorare für freie Mitarbeiter, Altersversorgung sowie Aus- und Weiterbildung regeln. Kein Wort dagegen von einem speziellen Berufsbild. Warum auch sollte nicht das bestehende Berufsbild Anwendung auf Anzeigenblätter finden, zumal in beiden Fällen mit den Tätigkeitsbeschreibungen von Journalisten kein Werturteil verbunden werden kann!

Fünf Jahre zuvor, beim Verbandstag des DJV 1977 in Nürnberg, appellierten die Delegierten an die Verleger, Journalisten nur dann mit der Redaktion von Anzeigenblättern zu beauftragen, wenn dies arbeitsrechtlich geregelt sei. Kein Journalist dürfe veranlasst werden, entgegen arbeitsvertraglicher Regelungen neben der redaktionellen Tätigkeit für eine Tageszeitung zusätzlich Aufgaben für ein im selben Haus erscheinendes Anzeigenblatt zu übernehmen.

Der Appell verhallte weitgehend ungehört. Vielleicht, weil viele Verleger ihre Anzeigenblätter nicht unter den Namen ihrer Tageszeitungsverlage erscheinen lassen. So zum Beispiel der Bielefelder Verleger des „Westfalen-Blatt“, Carl-Wilhelm Busse. Er schuf hierfür die ,Panorama-Verlags- und Werbegesellschaft mbH“. Und unter arbeitsrechtlichen Regelungen werden im Hause Busse Vertragsformulierungen verstanden wie „Im Rahmen des Arbeitsgebietes (Westfalen-Blatt/Anm. d. Verf.) können Aufgaben für andere Objekte des Verlegers (also auch in Tochtergesellschaften/Anm.) übertragen werden. Diese sind mit dem Gehalt abgegolten“.

Volontäre, die als Redakteure übernommen werden wollen, bleibt zum Ende ihres Volontariats meist gar nichts anderes übrig, als derartige Vertragstexte zu akzeptieren. Sie sind es dann, die später aus den Lokalredaktionen des „Westfalen-Blatt“ heraus dafür sorgen, dass der Fluss lokaler Informationen in die angesichts von 21 Anzeigenblättern mit einer Gesamtauflage von wöchentlich 439.500 Exemplaren mit drei Redakteuren geradezu winzige „Panorama“ -Redaktion nicht abreißt. Von der Anzahl der Titel her gehört Verleger Busse innerhalb der Anzeigenblatt-Arbeitsgemeinschaft des BDZV zu den „Großen“ im Anzeigenblatt-Geschäft.

Eine Durchsicht des umfangreichen Mitgliederverzeichnisses (Stand: 1. Januar 1982) ergab, soweit erkennbar, dass er mit seinen 21 Blättern nur noch von der „Westdeutschen Verlags- und Werbegesellschaft mbH“ in Essen übertroffen wird. Diese „Tochter“ des WAZ-Konzerns gibt wöchentlich, vierzehntägig oder monatlich insgesamt 66 Anzeigenblätter heraus mit einer durchschnittlichen Gesamtauflage von 1.527.560 Exemplaren pro Woche.

Die 16 Anzeigenblätter der Ostruhr-Anzeigenblattgesellschaft in Lünen bringen es auf 869.075 Exemplare, die zehn der Verlagsgesellschaft Madsack & Co. in Hannover auf 555.210, „Dick im Geschäft“ mit Anzeigenblättern ist mit 16 Titeln auch die Süwe GmbH & Co. KG in Mannheim, die Presse-Druck- und Verlags GmbH in Augsburg (12 Blätter) und der Badische Verlag in Freiburg (11).

Auch BDZV-Präsident Alfred NevenDumont hat sich ein gehöriges Stück aus dem Anzeigenblatt-Kuchen geschnitten. Allein sein „Kölner Wochenspiegel“ bringt es – noch vor Springers „Hamburger Wochenblatt (350.000) -auf eine Auflage von 367.300 Exemplaren. Übertroffen wird er nur noch vom „Münchner Wochenblatt“ mit 690.000 und der „Allgemeinen Berliner Bezirkszeitung“ mit 826.900 Exemplaren.

Angesichts einer so hohen Auflage sind Anzeigen in der „az“ nicht gerade billig: Der Millimeter-Grundpreis beträgt nach BDZV-Unterlagen 18,80 Mark, während er für den“ Forchheimer Anzeiger“ mit seinen wöchentlich 3.500 Exemplaren bei 0,10 Mark liegt. Bezogen auf einen Millimeter-Preis je tausend Exemplare verlangen jedoch beide Verlage mit 0,028 bzw. 0,022 Mark fast dasselbe.

Auch bei den mei-sten übrigen Anzeigenblättern im BDZV sind Differenzen im „Tausender-Preis“ erst ab der dritten Stelle hinter dem Komma zu finden. Zufall? Bereits 1978 stellte es die Bundesregierung in ihrem“Bericht über die Lage von Presse und Rundfunk in der Bundesrepublik Deutschland“ fest: „Anzeigenblätter der Tageszeitungsverlage dienen häufig der Abwehr anderer Anzeigenblätter. Sie können auch anderen lokalen Blättern den Marktzugang erschweren. In jüngerer Zeit haben sie auch als Mittel im Wettbewerb zwischen Tageszeitungen an Bedeutung gewonnen. Ein Kombinationstarif zwischen Anzeigenblatt und Tageszeitung kann auf einen unzulässigen Behinderungsgebrauch hinauslaufen, wenn ein Anzeigenblatt von einem marktbeherrschenden Verlag gegen Wettbewerber eingesetzt wird.“

Als sich der „Wolfsburger Kurier“ ( einem solchen Verdrängungswettbewerb mit Hilfe eines Anzeigen-Koppelungtarifes ausgesetzt sah, der unter den Selbstkosten lag, klagte der betroffene Verlag vor dem Landgericht in Braunschweig. Und hatte Erfolg. Das Gericht hielt einen derartigen Verdrängungsversuch für unzulässig. Begründung: Auch Anzeigenblätter leisten „eine wichtigen Beitrag zur Meinungsbildung und Vielfalt“.

„Wann endlich schreitet der Gesetzgeber ein und verhindert einen ungesunden Wettbewerb, der die in Artikel 5 des Grundgesetzes verlangte Vielfalt der Meinungen gefährdet?“, fragten sich schon lange viele Journalisten. Ein Urteil des Kartellsenats beim Oberlandesgericht Düsseldorf vom 12. Januar 1982 lässt sie aufhorchen. Denn dieses Urteil hat grundsätzliche Bedeutung: Zum ersten Mal in der deutschen Kartellrechtsgeschichte ist ein Marktbeherrscher wegen Vernichtung eines kleineren Wettbewerbers zu Schadenersatz in Geld verurteilt worden. Und zum ersten Mal in der deutschen Pressegeschichte müssen Tageszeitungsverlage diesen Schadenersatz leisten, weil sie ein Anzeigenblatt mit nichtkostendeckenden Anzeigenpreisen zur Aufgabe gezwungen haben.

Nachdem dieses Grundsatzurteil vorliegt, geht es im weiteren, noch nicht abgeschlossenen Verfahren um die exakte Höhe des Schadenersatzanspruches. Eingeklagt sind eine Million Mark. Auch für den WAZ-Konzern in Essen, der zu den Beklagten gehört, eine stolze Summe. Das fünfzig Seiten umfassende Gerichtsurteil liest sich stellenweise wie ein Krimi. Als der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger Anfang Oktober 1977 erfuhr, dass Dr. Rolf-Michael Kühne aus Köln über eine Verlagsgesellschaft für den gleichen Monat in einer Vielzahl von Städten der Bundesrepublik die Herausgabe von Anzeigenblättern plane, vertraten die Verleger laut BDZV „in einer ad hoc einberufenen Sitzung … den Standpunkt, dass die Verlage sich mit marktkonformen Mitteln wehren sollten“. Und im BDZV-Jahresbericht 1977 hieß es dann zum „Fall Kühne“ später: „Derartige Maßnahmen hatten dann zur Folge, dass sich die meisten Blätter nicht entfalten konnten, am Rande des Existenzminimums blieben und zum großen Teil wieder eingestellt wurden“.

Dies trifft auch für den „Siegener Kurier“ zu, mit dem Kühne Mitte Oktober 1977 im Siegener Raum gegen die dort etablierten Tageszeitungen „Siegener Zeitung“, „Westfälische Rundschau“ und „Westfalenpost“ antrat. Wenige Tage später reagierten der Zeitungsverlag der „Siegener Zeitung“ und der WAZ-Konzern mit einer neuen Gesellschaft, die den „Siegerländer Wochen-Anzeiger“ herausbrachte. Sein Anzeigen-Millimeterpreis lag mit 2,10 Mark genau 1,10 Mark unter dem des Kühne-Blattes. Und als dieser zum 1. Januar 1978 unter gleichzeitiger Kürzung der Druckauflage auf zwei Mark herunterging, betrug der Millimeter-Preis des Wochen-Anzeigers plötzlich nur noch 1,60 Mark – bei gleichzeitiger Erhöhung der Gesamtauflage.

Dem war der Kölner Anzeigenblatt-Verleger schließlich nicht mehr gewachsen. Aufgrund seiner Verluste sah er sich Ende Mai 1978 genötigt, den „Siegener Kurier“ aufzugeben. Prompt trat der WAZ-Konzern aus der „Abwehr-GmbH“ aus und die Druckgesellschaft der „Siegener Zeitung“, die den Anzeiger bis dahin bereits -„allenfalls zu Gemeinkosten“, wie das Gericht meint – hergestellt hatte, trat an seine Stelle.

Unter Ausnutzung ihrer Marktmacht und mit den Mitteln der Preisunterbietung – immerhin hätten sie es sich aufgrund ihrer Finanzkraft leisten können, über zwei Jahre hinweg Verluste aus dem „Siegerländer Wochen-Anzeiger“ hinzunehmen – hätten die Beklagten den „Siegener Kurier“ auf dem örtlichen Anzeigenmarkt unbillig behindert in der Absicht, ihn vom Markt zu verdrängen, stellte das Gericht fest. Den Auswirkungen ihres Preiskampfes seien sich die Beklagten, so heißt es im Urteil des Oberlandesgerichtes weiter, durchaus bewusst gewesen. Im übrigen gebe der WAZ-Konzern selbst zu, dass Zweck der von ihm herausgegebenen Anzeigenblätter „war und ist in allen Fällen die Abwehr zu erwartender oder bereits tatsächlich erfolgter fremder Anzeigenblatt-Aktivitäten“.

Die Richter dazu: „Abwehr bedeutet in diesem Sinne Vernichtung“. Und so klinge denn die Erfolgsmeldung im BDZV-Jahresbericht von 1977 „wie der Bericht über eine erfolgreiche Treibjagd“, bei der es sich um eine „konzertierte Aktion des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger“ gehandelt habe. In Siegen habe der Marktbeherrscher mit Maßnahmen gearbeitet, die den Leistungswettbewerb verfälscht hätten. Jetzt ist es Sache des Landgerichts Dortmund, über die Höhe des Schadenersatzanspruches und die Kosten des Berufungsverfahrens zu entscheiden.

Dr. Rolf-Michael Kühne sieht dieser Verhandlung offenbar voller Zuversicht entgegen. Sonst würde er nicht von sich aus Abschriften des OLG-Urteils an zahlreiche potentielle Interessenten verschickt haben. Ein Vergleich des Düsseldorfer und des Braunschweiger Urteils mit früherer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach ein Anzeigenblatt einer herkömmlichen Zeitung nicht voll entsprechen durfte, und des Oberlandesgerichts Frankfurt, das einem Anzeigenblatt nicht mehr als ein Drittel seines Umfangs für aktuelle lokale Berichterstattung zubilligte, lässt auf einen Image-Wandel des Anzeigenblatts schließen.

Dass die Bedeutung der Anzeigenblätter in den vergangenen Jahren „stark angewachsen“ ist, führt der „Medienbericht“ der Bundesregierung nicht zuletzt darauf zurück, dass nur noch etwa jede fünfte Tageszeitung „sich der Lokalkommunikation einer Gemeinde widmet“. Mit wachsender Größe des Berichtsgebietes verliere die Lokalberichterstattung an Intensität. Demgegenüber ist der Anteil redaktioneller Texte am Umfang von Anzeigenblättern von Jahr zu Jahr gestiegen. Derzeit bieten nur noch fünf Prozent aller Anzeigenblätter in der Bundesrepublik keinen redaktionellen Teil. Wo er existiert, wird er zu zwei Dritteln mit lokalen Informationen gefüllt. VVDA-Geschäftsführer Schmidl: „Die jüngste Entwicklung zeigt einen verstärkten Bedarf an lokaler, bürgernaher Berichterstattung. Durch sie haben die meisten Anzeigenblätter eine starke Leser-Blatt-Bindung erreicht“.

Hier ist sicherlich eine gehörige Portion Zweckoptimismus im Spiel. Dies ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass Anzeigenblätter grundsätzlich dazu in der Lage wären (sind), einen wichtigen Beitrag zur Meinungsbildung und -vielfalt zu leisten auch. Auch und gerade dort, wo Tageszeitungen bisher ureigenstes Terrain preisgeben, im eng eingegrenzten lokalen Bereich. Der DJV-Fachausschuss „Tageszeitungen“, dies zeigt sein Antrag in Saarbrücken, hat das erkannt.

(Eine Situationsbeschreibung aus dem Jahr 1982)