Kein Platz für Campingfreunde

Mai 1977:  Wer mit seinem Wohnmobil oder Caravan die britische Kanal-Insel Guernsey besuchen will, kann’s ruhig tun. Um die Überachtungskosten in einer Pension kommt er allerdings nicht herum. Denn „Heime auf Rädern“ dürfen dort nur zum Transport, nicht aber zum Schlafen und Wohnen benutzt werden. Eine Bestimmung der Inselverwaltung, zugeschnitten auf die Wünsche der heimischen Gastronomie? Fast sieht es so aus, zumal ähnliche Anordnungen auch auf anderen britischen Inseln getroffen worden sind. So werden Wohnmobile auf Jersey erst gar nicht an Land gelassen, die „Isle of Man“- Fähren nehmen nur dann Campingwagen auf, wenn ihre Besitzer eine Erlaubnis des „Planning Committees“ vorweisen können (einzuholen bei „Isle of Man Local Government Doard, 6 Mount Have lock, Douglas“), und die Skilly- Inseln halten sich Wohnanhänger und -mobile grundsätzlich fern. Gewiss, das sind nicht gerade Ferienziele für jedermann. Und wer in seinem Urlaub die englische Sprache pflegen, englische „tea time“ schätzen und englische Küstenromantik kennenl ernen will, fährt sowieso lieber gleich über den Kanal nach Dover, Folkesstone oder Southampton. Aber auch Großbritannien selbst hat seine Camper-Tücken, weswegen man im DCC-Campingführer „Europa“ nach England noch im vorigen Jahr vergeblich suchte.

Annähernd tausend Campingplätze finden sich zwar in dem von der britischen „Automobile Association“ herausgegebenen Führer, eine genaue Durchsicht ergibt jedoch, dass noch lange nicht alle Plätze Durchreisende aufnehmen, und wenn, dann in manchen Fällen nur, wenn der Preis für zwei oder drei Übernachtungen statt der tatsächlich gewünschten einzigen Übernachtung gezahlt wird. Auch ist die Zahl der für Durchreisende bestimmten Standplätze in der Regel recht begrenzt. Wer also in den Sommermonaten aufs Geratewohl durch die englischen Lande reisen will, ist fehl am Platze. Eine schriftliche Reservierung empfiehlt sich auf alle Fälle, und damit ist’s dann auch schon vorbei mit dem Individualismus. Camper in England zu sein, heißt exakt vorplanen, bei Vorbuchungen auf die Bestätigung des Platzverwalters zu warten, Kreuz-und-quer-Fahrten nach Lust und Laune erst gar nicht ins Auge zu fassen. Seit Caravans und Wohnmobile in Großbritannien nur noch einer geringen Extrasteuer unterliegen, haben sich viele Engländer den langgehegten Wunsch nach einem eigenen Ferienheim erfüllt. Die Zahl der Campingplätze hat jedoch nicht in gleichem Maße wie die der „vans“ oder „dormobiles“ zugenommen; die Folge davon: Wer unangemeldet kommt, muss damit rechnen, abgewiesen zu werden. Darauf weist auch die „Automobile Association“ in ihrem Campingführer hin. Einerseits verurteilt sie das „wilde“ Campen auf Parkplätzen, andererseits bittet sie jedoch die Polizei, die in solchen Fällen einschreiten müsste, weil`s verboten ist, um Nachsicht. Denn: Wo sollen die Gespanne und Wohnmobile, die auf meinem Platz mehr untergekommen sind, letzten Endes hin? Der britische Wahlspruch My home is my castle“ – mein Haus ist meine Burg – gilt, wie sollte es anders sein, auch für die meisten britischen Campingfreunde. Plätze, die nur vom Touristenverkehr leben, gibt es daher so gut wie gar keine. Mobilheime beherrschen die Szene, von kleinen Zäunen, Büschen oder Hecken umgeben, die Blumenbeete und der Rasen sprichwörtlich englisch gepflegt. Wohnwagengespanne und Wohnmobile, Gäste auf Zeit, laufen da nur am Rande mit. Alles in allem: Großbritannien ist zwar eine Reise wert, das zerklüftete Cornwall etwa mit seinen kleinen Fischerhäfen, die großzügige Südküste oder das wildromantische schottische Hochland, den Campingwagen lassen deutsche Urlauber jedoch besser zu Hause. „Bed and breakfast“ – Übernachtung mit Frühstück, und das meist deftig englisch – gibt es schon ab acht Mark. Und Schilder mit dieser Aufschrift finden sich auf der britischen Insel wesentlich häufiger als Hinweisschilder auf Campingplätze.