Wo der Uhu schreit, oder wie, oder was?

1972: Wo die Wälder noch rauschen, die Nachtigall singt, die Berg hochragen, der Amboss erklingt – da ließen sich Gustav Ratz und Erich Sieper von der Muse küssen. Den einen erwischte die holde Fee mit Feder und Papier in Wuppertal, den anderen am Klavier in Remscheid.

Wo die Wälder noch rauschen, die Nachtigall singt, die Berg hochragen, der Amboss erklingt – da ließen sich Gustav Ratz und Erich Sieper von der Muse küssen. Den einen erwischte die holde Fee mit Feder und Papier in Wuppertal, den anderen am Klavier in Remscheid. Niemand vermag heute zu sagen, ob ihnen das kulturelle Leben ihrer Heimatstädte zu dürftig erschien, als der eine zum Dichter und der andere zum Komponist wurde, oder ob es ihnen nur darum ging, das Repertoire diverser Freizeitchöre anzureichern. Fest steht nur eines: Seit der Uraufführung ihres „Heimatliedes“ hat schon manche festliche Runde Melodie und Text gelauscht, wenn es aus voller Kehle „durch Feld und Wald“ tönte.

Die Schöpfer des „Heimatliedes“ können zufrieden sein. Wo es erklingt, strafft Heimatstolz das Rückgrat eines jeden Sängers, sein Blick wird klarer; jetzt endlich sieht er seine kleine Stadt im Bergischen Land, wie sie wirklich ist. „Flammend wirft die Sonne ihren gold‘ nen Strahl in das waldumkränzte, frühlingsgrüne Tal. Drunten ruht ein Städtchen. Giebelstolz und alt schmiegen sich die Häuschen dicht an Berg und Wald!“

Großvater, Vater, Mutter und Kind singen ’s mit, treten zum Ärger rigoroser Stadtsanierer ein für alte Fachwerkhäuser, deren „Farben leuchten hell in Weiß und Grün. Vor Gesims und Fenster hell die Blumen blüh‘ n“. Nie gekannte Blumenpracht wird den für Blumenschmuckwettbewerbe verantwortlichen Verkehrs- und Verschönerungsverein erfreuen. Und die Mitglieder des örtlichen Geschichtsvereins können mit einstimmen: „All die Straßen, all die Gassen sind mir wohl bekannt. Da ist meine Heimat, wo die Wiege stand“.

Ihnen allen, die da – wohl nach dem Willen einer unternehmungslustigen Musenfee – Heimatgefühle entwickeln, wird in Erinnerung gebracht: „Von der stolzen Höhe blickt das Schloss herab, grau sind seine Türme, Rittersmann und Knapp – (Wer wagt es zu tauchen in diesen Schlund… Verzeihung) – sind nicht mehr zu finden. Düst‘ rer Sagenschatz geistert um die Mauern und umgibt den Platz“.

Die Tonleiter rauf und runter müssen sich die Sänger allerdings trotz dieses Sagenschatzes eingestehen: „Keine Streitaxt blitzet und es klirrt kein Speer, nur die Eichen rauschen, künden alte Mär“.

„Horch“, zur Freude eines jeden Naturkundlers wollen sie erfahren haben: „Der Uhu klaget in dem hohe Turm, und die Krähen schreien laut im Wettersturm“. Krähen und Uhu vernehmen heutzutage zwar nur noch besonders phantasievolle Mitbürger. Dafür aber kann sich jedermann ein Bild von der nahen Wupper machen. Her mit der rosaroten Brille: „Durch den Wiesenteppich, an dem Blütenhang, eilt die Wupp hurtig frohgemut entlang. Und die Heimaterde atmet tief und schwer, gern gibt sie in Fülle ihre Gaben her. Teure Heimaterde, einer Mutter gleich, keine ist so lieblich, keine ist so reich. Dir gehört mein Leben, das ich in Dir fand, sei gegrüßt mein herrlich schönes Bergisches Land!“

Hässlichkeit hat hier keinen Platz. Schmuck sind denn auch denn auch die „Berg‘ schen Mädel, schwarz, braun und blond. Fröhlich ist ihr Wesen, klar und hell durchsonnt.“ Wer es noch nicht wusste, erfährt es nunmehr auf melodische Weise: Im Bergischen Land leuchten die Augen jeder Frau, es lacht ihr Mund, und „rein erwächst die Liebe tief im Herzensgrund!“

Flugs legen Dichter und Komponist darauf dem Sänger den Mund: „Wenn ich an Euch denke, bin ich frohgemut, uns verbindet Treue, Liebe. Art (!!!, aha) und Blut (!!!, aha)!“ Bei solch musischen Ergüssen über Blut und Boden meinen böse Zungen, dieses Lied sei schon vor hundert Jahren entstanden. Tatsache bleibt jedoch seine Uraufführung im Mai 1972 in Hückeswagen – als aktueller Beitrag zum deutschen Liedgut in dei zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhundert.