Ärzte beklagen klagen sich über „ungerechtfertigten Kritik“

Dezember 1967:  Der Verband der leitenden Krankenärzte Deutschlands beklagt auf einer Versammlung in Düsseldorf „verfälschte und teilweise unrichtige Veröffentlichungen“ .

Sind die Vorwürfe berechtigt, die immer wieder gegen Ärzte und Verwaltungen erhoben werden? Der Wunsch nach einer offenen Diskussion ist nur allzu verständlich. Acht Millionen Menschen werden jedes Jahr in unseren Krankenhäusern behandelt. Sie haben Anspruch auf verantwortungsvolle Betreuung. Steht es schlecht um unsere Krankenhäuser und ihre 41 200 Ärzte? Diese Frage stellen sich auch die Ärzte selbst. ‚
Vor Zehn Jahren war es die Bettenknappheit, die heftige Diskussion auslöste, Die Bettennot, eine Folge des letzten Krieges, ist inzwischen weitgehend behoben. Enorme Summen wurden in Neu- oder Erweiterungsbauten von Krankenhäusern investiert: Von 1950 bis 1955 rund 5,7 Milliarden Mark. Bis 1970 sollen sieben Milliarden Mark angelegt werden. Aber schon jetzt sieht die Bundesrepublik nach Ansicht von Prälat Mühlenbrock, Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft, in der Bettendichte „mit an der Spitze aller vergleichbaren Länder“. In den letzten acht Jahren stieg die Zahl von 607340 auf 667382, also um elf Prozent. Der Prälat: Weitere Betten sind nicht mehr notwendig. Jetzt sollten vorrangig übergroße Fachabteilungen in den Krankenhäusern unterteilt werden.
In jüngster Zeit mehrt sich von gewisser Seite die Kritik am Ärzte-System. „Gerade jetzt, wo im Krankenhauswesen Veränderungen im Gange sind, haben verfälschte und teilweise unrichtige Veröffentlichungen diese Kampagne ins Leben gerufen “ Der Verband der leitenden Krankenärzte Deutschlands bedauerte diese Entwicklung kürzlich auf einer Versammlung in Düsseldorf, an der rund 300 Ärzte teilnahmen. So haben zum Beispiel 15 Ärzte Strafantrag gegen einen in Argentinien lebenden deutschen Arzt gestellt, der mit seinen „vom Gewissen getriebenen Enthüllungen“ in einer Illustrierten Aufsehen erregt hatte.
Zwar will die deutsche Ärzteschaft einer offenen Diskussion nicht ausweichen, sie empfindet jedoch, wie es Prälat Mühlenbrock ausdrückt, eine solche Kritik als ungerecht, „wenn darüber ungeheure Leistungen der Krankenhausträger, Schwestern und Ärzte in den schweren Nachkriegsjahren vergessen werden.“
Dr. Stockhausen, Hauptgeschäftsführer der Bundesärztekammer, glaubt, dass solche Äußerungen das Verhältnis zwischen Arzt und Patient nur trüben könnten. „Die Ärzte ringen selbst um viele Probleme“, sagte er. Genügend Möglichkeiten für die Patienten, die Ärzte zu kontrollieren, sieht im übrigen Professor Dr. Fromm, Präsident der Bundesärztekammer. „Jeder kann seinen Arzt selbst wählen. Die Ärztekammer wird bei Fehldiagnosen einschreiten. Auch mahnen die ordentlichen Gerichte die Ärzte zur Sorgfaltspflicht, kurz: Der Arzt steht immer im Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit. Dazu muss er stets mit der Kritik der Schwestern und Kollegen rechnen.“ Der Professor fasst es zusammen. „Die Behandlung eines Patienten im Krankenhaus erfolgt somit unter vielen kritischen Augen.“
Dem Verband der leitenden Krankenhausärzte Deutschlands ist selbst daran gelegen, „das Beste für die Krankenhäuser und damit für die Patienten herauszuholen“. Er verlangt u. a. eine baldige Ordnung in allen Finanzfragen des Krankenhauswesens, „Die Krankenhäuser freuen sich über jedes neue Teil, während die meisten Universitätskliniken übergenug Geld haben Dort wächst das Gras auf der Hand.“ Im Namen des Verbandes forderte Professor Fromm „eine sachgerechte Beurteilung aller Krankenhausfragen, die ein Höchstmaß an Individualität beinhalten“. Auch müsse das Bild von Krankenhaus und Arzt gegenwartsgetreu beurteilt werden. Eine Untersuchung solle aufzeigen, ob wirklich noch mehr Krankenhausbetten gebraucht werden, oder ob nicht ein Teil der Behandlung wieder in den ambulanten Bereich verlagert werden könne. Auch in Äußerungen von Pro-fessor Dr. Hopf, Vorsitzender des Verbandes der leitenden Krankenhausärzte, und Dr. Odenbach, Vorsitzender des Marburger Bundes, klang die Enttäuschung über das negative Berufsbild durch, „das ungerechtfertigt einige Teile der Öffentlichkeit vom deutschen Arzt haben“.
Wuppertal, 1967

Nachtrag: Professor Fromm, gest. am 2.4.1992, war Mitglied im Aufsichtsrat der Ärzteabschreibungsgesellschaft „Promedicis“, Offenbach, die Mitte der 70er Jahre durch einige zwielichtige Konkursverfahren Schlagzeilen machte.